LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
heraus.
»Na klar.« Laurel verdrehte die Augen. »Wann wirst du mir endlich wieder vertrauen?«, fragte sie dann leise. In ihrem Gesicht stand ein Schmerz, den Emma nicht begriff. Sutton hatte Laurel in der Vergangenheit oft Leid zugefügt – da war sich Emma todsicher –, aber offenbar hatte auch Laurel Sutton verletzt.
»Sie ist ein Mädchen.« Emma wirbelte herum und stieß sich dabei die Hüfte am Waschbecken an. »Und … es ist nicht cool, anderen Leuten ins Handy zu schauen!«
Laurel senkte den Kopf und grinste sie verschwörerisch an. »Ach, du schaust doch ständig in meins. Also, wer ist dieser Alex? Geht er auf die Valencia Prep? Ist er Student? Wart ihr nackt schwimmen? Gut, dass die Paulsons auf Hawaii sind!«
»Ich war nicht im Pool«, beteuerte Emma, aber dann schaute sie an sich herunter. Von ihren Haaren tropfte Wasser auf ihre Schultern. Sie stank nach Chlor. »Okay. Von mir aus. Ich war im Pool. Aber allein.«
Laurel fuhr mit dem Finger über die Oberfläche einer schmiedeeisernen Skulptur, die auf dem Wandvorsprung hinter der Toilette stand. »Ich sage es niemandem, das verspreche ich. Ich kann ein Geheimnis für mich bewahren.«
Emma senkte den Blick. Ethan war der einzige Mensch, dem sie in Tucson vertrauen konnte. »Ich war alleine im Pool, das schwöre ich. Mir war heiß, ich konnte nicht schlafen … das ist alles. Und Alex ist ein Mädchen, das ich im Tennislager kennengelernt habe.« Hoffentlich war Sutton im Tennislager gewesen … und hoffentlich hatte Laurel sie nicht dorthin begleitet. Emma versuchte, arrogant und verärgert zu tun, und schob sich an Laurel vorbei in den Flur.
»Sutton. Warte.«
Emma drehte sich um. Laurel stand mit einem bedrohlichen Lächeln auf dem Gesicht hinter ihr. »Ich bin dir auf der Spur. Du solltest mir sagen, was du vorhast, sonst …«
Die Worte hingen bleischwer in der Luft. »Was sonst?«
Laurel stand so dicht vor Emma, dass sie ihr Zitronenshampoo riechen konnte. Ihre Schultern waren breit und muskulös. Ihre großen Hände waren zu Fäusten geballt. Mit einem Mal war Emma wieder in Charlottes Haus, an jenem schrecklichen Abend, an dem jemand sie von hinten gepackt und beinahe erwürgt hätte. Laurel war größer als Emma, ungefähr so groß, wie der Angreifer gewesen war. Und sie war stark und wirkte so selbstsicher, dass es Emma nicht schwerfiel, ihr einen solchen Anschlag zuzutrauen. Schließlich hatte sie gesehen, wie brutal Laurel Sutton in dem Snuff-Video gewürgt hatte.
Laurel kam noch näher und Emma zuckte zusammen und wich ihrem Blick aus. »Sag mir lieber, was du im Schilde führst, sonst gebe ich dir einen Grund, Schiss zu haben. Du findest den Zugstreich im Nachhinein nur noch witzig, stimmt’s? Aber was würden Mom und Dad dazu sagen, wenn ich ihnen erzähle, was wirklich passiert ist?«
Emma wich überrascht einen Schritt zurück. Bitte erzähl mir, was wirklich passiert ist, flehte sie stumm. Aber Laurel drehte sich auf dem Absatz um, marschierte die Treppe hinauf und ließ Emma allein in der Dunkelheit zurück.
12
Ein etwas anderes Geheimnis
»Je suis neé en Arizone«, flüsterte Emma. Das Französischbuch lag auf ihrem Schoß, in der Hand hielt sie einen Stapel Karteikarten. Sie runzelte die Stirn beim Klang ihrer Worte. Irgendwie schaffte sie es nie, Französisch richtig auszusprechen.
Es war Dienstag, und Emma saß an einem runden Tisch im Außenbereich der Cafeteria, der für Zwölftklässler und ein paar coole Elftklässler reserviert war. Alle anderen mussten in der stickigen Cafeteria sitzen, in der es immer nach Fischtacos roch. Charlotte, Madeline und Laurel würden sie gleich hier abholen und Emma vertrieb sich die Zeit damit, auf den morgigen Französischtest zu lernen.
Wahrscheinlich hatte Sutton keinen Tag in ihrem Leben mit Lernen verbracht, aber Emma hatte nicht vor, irgendeine Prüfung zu verhauen. Sie hatte seit der ersten Klasse nur Spitzennoten und daran würde sich auch nichts ändern.
Ich ärgerte mich darüber, wie meine Zwillingsschwester über mich urteilte. Vielleicht war ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, um zu lernen. Vielleicht war ich insgeheim brillant, hatte aber keine Lust gehabt, mich anzustrengen.
Das Französischkapitel behandelte verschiedene Lebensstadien. Geburt, Leben und Tod. »Je suis neé en Arizone«, murmelte Emma wieder. Ich bin in Arizona geboren. Das wäre Suttons Antwort gewesen – aber stimmte sie überhaupt? Becky hatte Emma immer erzählt,
Weitere Kostenlose Bücher