Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)
etwas fehlen.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als sich plötzlich vor ihr eine Seitentür öffnete und eine Dame in einem eleganten, pinkfarbenen Kostüm und einem übergroßen Hut mit ebenso überdimensionaler rosa Krempe aus ihrem Zimmer trat. Silberne Knöpfe blitzten ihr entgegen. Um den langen Hals trug Madame eine Perlenkette. Wäre Joli dieser pompösen Gestalt auf der Berlinale begegnet, hätte sie die Dame für eine Prominente gehalten. In diesem Gasthaus wirkte die Frau deplaziert. An der Leine führte sie einen schwarzen, muskulösen Dobermann. Joli wich instinktiv etwas zurück, als das Tier ungehalten knurrte. Obwohl sie als Tierarzthelferin gewöhnt war mit aggressiven Patienten umzugehen, konnte sie ihren Respekt vor dem Tier nicht unterdrücken. Ruhe bewahren, das war die oberste Devise. Allerdings war das leichter gesagt als getan. Das Knurren des Dobermanns verwandelte sich in ein aufgeregtes Bellen. Seine kühlen Augen fixierten Joli, die sich zwischen Rems massivem, stahlharten Körper und dem angriffslustigen Köter eingekeilt fühlte.
„Joran von Wedelsburg, aus! Pfui!“, schimpfte die Besitzerin, die Mühe hatte, ihr Tier zurückzuhalten. Sie zerrte an der Leine, ihre Kraft genügte allerdings nicht, um ihren Liebling zu sich zu ziehen.
„Ist ja gut, ich tu dir nichts. Geh zu deinem Frauchen. Na komm schon, sei ein Braver.“ Endlich hatte Joli ihre Stimme wiedergefunden. Der Dobermann reagierte nicht auf ihre beruhigenden Worte, sondern ging auf die Hinterbeine und schnappte wild nach ihr. Entsetzt starrte sie auf die Reihe strahlend weißer Hundereißzähne, die sich in ihr Fleisch zu graben drohten. Wenn er sie erwischte, würde es schmerzhaft werden. „HaltenSie bitte Ihren Hund zurück“, zischte Joli, verärgert über das mangelnde Reaktionsvermögen der Hut-Lady.
Da stellte sich Rem beherzt zwischen sie und den Dobermann und stieß ein Grollen aus, das Joran von Wedelsburg sofort verstummen und den Schwanz einziehen ließ. Verängstigt suchte der Hund Schutz bei seinem Frauchen, das vor Schreck bleich um die Nase wurde.
„Himmel! Das tut mir schrecklich leid“, sagte die Frau mit zitternder Stimme und wickelte die Leine mehrmals um ihre Hand, um zu verhindern, dass ihr Hund noch einmal auf Joli losging. „Normalerweise ist er sehr freundlich. Ich kann mir das nicht erklären.“
„Vielleicht liegt es ja an der falschen Erziehung“, murmelte Joli in ihren nicht vorhandenen Bart und zückte den Schlüssel, den ihr die Wirtin gegeben hatte, um ihre Zimmertür aufzuschließen.
Rem nahm ihr diesen jedoch ab und öffnete ihr als Kavalier der alten Schule die Tür. Joli zögerte einzutreten. Wahrscheinlich erwartete sie nun die nächste böse Überraschung. Sie malte sich aus in ein Zimmer zu treten, das sich in einem katastrophalen Zustand befand. Schmutzig, ohne saubere Bettbezüge und staubübersät. Ausnahmsweise war das Gegenteil der Fall. Sie setzte den Fuß in ein Zimmer, das aus einem Puppenhaus stammen konnte. Die altrosafarbene Tagesdecke des Bettes war mit großen Schleifen und zahlreichen goldenen Perlen verziert, Spitzweggemälde in der Größe von Postkarten hingen an den Wänden und die Gardine war ein einziges Kunstwerk.
„Wow“, sagte sie, ging hinein und ließ erst ihre Reisetasche zu Boden und dann sich selbst in den kuscheligen Sessel fallen, der in einer Ecke des Raumes stand.
Rem folgte ihr und schloss hinter sich die Tür. Er schenkte seiner Umgebung keine Aufmerksamkeit, sondern stellte den Koffer neben das Bett und kam mit besorgter Miene auf sie zu. „Ist alles in Ordnung? Du siehst noch immer blass aus.“
„Schon okay.“ Sie winkte ab. In der Tierarztpraxis hatte sie schon allerhand erlebt, aber es gab ihrem Ego einen kleinen Stich, denn normalerweise konnte sie die aggressivsten Hunde leicht beruhigen und für sich gewinnen. „Ich bewundere nur unsere Unterkunft.“
„Aber du bist auch verärgert, das sehe ich dir an der Nasenspitze an.“
Er hatte recht. „Dabei hatte ich mich bemüht, ein fröhliches Gesicht zu machen. Zumal die Unterkunft wirklich traumhaft ist.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Rem setzte sich auf das Bett und musterte sie von den zerschlissenen Turnschuhen bis zu ihrem zerzausten Haar. Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet, aber sein Blick war etwas länger auf ihrem Oberkörper haften geblieben. Genauer gesagt auf ihren Brüsten, die sich keck unter dem Stoff ihres T-Shirts abzeichneten. Sie
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