Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)
schluckte. Normalerweise wertete sie derart intensive Blicke eines Mannes als Interesse an einer Frau. In diesem Fall war sie unsicher, was es tatsächlich bedeutete. Und Rem schien es nicht aufklären zu wollen.
„Es lag nicht an dir“, sagte er.
„Bitte?“
„Du hast nichts Negatives an dir, das den Hund in Rage versetzte.“
„Woran lag es dann?“
Er zuckte die Schultern. „An mir.“
„An dir? Aber wie ...“
„Er hat gemerkt, dass ich kein Mensch bin.“
„Wie soll er das denn gemerkt haben?“
„An meinem Geruch. Hunde haben eine viel feinere Nase als Menschen. Und ich rieche nicht nach Mensch, sondern nach Werwolf.“
„Warum hat er dann mich und nicht dich angeknurrt?“
„Ich stand direkt hinter dir. Wie ich schon sagte, seine Aggression galt mir.“
Joli verstand langsam. Dann kam ihr ein neuer Gedanke. „Das bedeutet, dass du in deiner Wolfsgestalt auch einen ausgeprägten Geruchssinn hast. Somit könntest du den Geruch von anderen Werwölfen wahrnehmen, oder? Genauso wie dieser kleine von-und-zu.“
„Nicht nur von Werwölfen. Jeden Geruch. Vor allem den von Vampiren. Der Geruch ist Navigationshilfe und Informationsquelle in einem. Gerüche bleiben haften, sie erzählen Geschichten. Ich nehme den Geruch wahr und weiß, wer sich an diesem Ort aufhielt. Wenn ich es will, kann ich ihm folgen, so lange sich die Spur hält, denn der Geruch leitet mich.“
„Du willst sagen, deine Superspürnase führt uns direkt zu den Vampiren?“
Er grinste. „Das hoffe ich.“
Er ließ sich rücklings auf das Bett fallen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte zur Decke hinauf. Joli bemerkte, dass sich sein T-Shirt dabei hochzog und den Blick auf den unteren Teil seines muskulösenBauches frei gab. Es sah verführerisch aus. Zu gern hätte sie sich zu ihm gelegt. Und noch viel lieber hätte sie seinen Bauch berührt, nur um zu sehen, wie hart sich seine Muskeln anfühlten. Außerdem gehörte eine Hälfte des Doppelbettes ihr und sie war nach der langen Fahrt ebenfalls erschöpft. Aber dann rief sie sich in Erinnerung, dass sie nicht zu ihrem Vergnügen hier waren, sondern dass er ihr Arbeitgeber und sie seine Angestellte war. Es fühlte sich komisch an diese Barriere zu durchbrechen. Sie war sich unsicher, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte und beschloss, erst einmal abzuwarten.
„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte sie, um sich auf andere Gedanken zu bringen.
Er drückte sich vom Bett hoch und kam mit einem Satz auf den Füßen zum Stehen. „Suchen wir den Friedhof.“
„Und wenn es hier gar keinen gibt?“
„Dann haben wir ein Problem.“ Er zwinkerte und öffnete seinen Koffer, aus dem er eine Tasche zog, die nur mit Mühe und Not in diesen passte. Darin bewahrte er wohl seine Holzpflöcke auf. Rem warf sich die Tasche über die Schulter und ging zur Tür. „Komm, wir haben keine Zeit zu verlieren.“
„Sparen wir Zeit, indem wir einfach nachfragen. Ich weiß, Männer fragen nicht gern nach dem Weg, daher werde ich das in die Hand nehmen.“ Sie zwinkerte zurück.
Die Wirtin war eine auffällige Erscheinung. Wenn sie hinter dem Tresen stand und ihre Gäste bediente, überragte sie die meisten von ihnen, egal ob Mann oder Frau, um einen halben Kopf. Ihre wasserstoffblonden Haare waren entweder dauerwellenbehandelt oder aufgrund der häufigen Färbungen derart angegriffen, dass sie an Stroh erinnerten und wirr nach allen Seiten abstanden. Die dicken Lippen glänzten in einem tiefen Rot, während ein blauer Lidschatten ihre sanft funkelnden, braunen Augen zierte.
„Wie kann ich euch helfen?“, fragte sie herzlich, als Joli und Rem an ihren Tresen traten. Sie legte das Handtuch zur Seite, mit dem sie einen Bierkrug abgetrocknet hatte. „Möchtet ihr etwas essen oder trinken? Heute gibt es die Spezialität des Hauses. Schweinshaxe nach bayerischer Art mit Pilzen und Schupfnudeln.“
Bayerische Schweinshaxe in Brandenburg. Das klang interessant.
„Vielen Dank, wir kommen gern später auf Ihr Angebot zurück“, sagte Rem.
Jolis Blick fiel auf den Postkartenständer neben dem Weinregal. „Das Schloss haben wir vorhin bei unserer Ankunft gesehen. Kann man es besichtigen?“ Das war eigentlich nicht die Frage, die sie stellen wollte, aber sie war neugierig, was es mit dem alten Gemäuer auf sich hatte, das auf zahlreichen Postkarten abgebildet war.
Die Wirtin schnappte sich eine Zigarette und zündete sie an. „Schloss Hornbach meint ihr? Nein, das
Weitere Kostenlose Bücher