Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)
Gehirn litt offenbar an Blutarmut, weil sich das meiste in ihrem Schambereich sammelte. „Ich sagte, das ... das hat sicher niemand gesehen.“
Nun wurde aus seinem Lächeln ein leises, doch freundliches Lachen. In diesem Moment fiel Joli ein, dass Rem sehr gute Ohren besaß und ihre Antwort vermutlich sehr genau verstanden hatte.
„Das ist richtig. Ich hatte Glück.“
Unterhose und T-Shirt flogen im hohen Bogen auf sie zu. Letzteres landete in ihrem Gesicht. Sie wollte vor Schreck aufschreien, atmete dann aber seinen verführerischen Duft ein und drückte den Stoff an ihre Nase. Wundervoll. Es fiel ihr schwer, sich von seinem T-Shirt zu trennen, da die Luft darunter aber rasch stickig wurde, nahm sie es ab und legte es ordentlich zusammen. Genauso wie seine Jeans und die Unterhose.
„Bist du noch da?“, fragte sie nach einer Weile, in der sie nichts von ihm gehört hatte.
Rem antwortete nicht. Sie erhob sich, um hinter den Engel zu blicken. Keine Spur von Rem. Weder von seiner menschlichen noch seiner animalischen Gestalt. Irritiert setzte sie sich wieder hin und fragte sich warum er sich nicht verabschiedete, als ihr der Grund einfiel. Als Wolf konnte er nicht mit ihr sprechen, allerhöchstens konnte er heulen oder andere tierische Laute ausstoßen, die sie niemals hätte deuten können. Sie schmunzelte, hob den Finger, um ihre Brille die Nase hinauf zu schieben, wie es ihre Angewohnheit war, doch griff ins Leere. Wo war das gute Stück? Sie blickte sich um und erinnerte sich, sie neben dem Fuß des steinernen Engels verloren zu haben. Eilig hob sie die Bernsteinbrille auf und begann die verschmutzten Gläser mit einem Stofftuch zu polieren. Rems unhandliche Waffe legte sie neben sich auf die Bank. Sie konzentrierte sich sehr auf ihre Arbeit. Eine Brille, durch die man nicht richtig sehen konnte, war keine gute Brille. Es war nur zu ärgerlich, dass sie ohne Brille noch schlechter sah als durch verschmutzte Gläser.
Sie bemerkte einen schwarzen Schatten, der sich von der Seite näherte. Rasch schob sie mit einer geübten Bewegung die Brille auf ihre Nase und griff mit beiden Händen nach der Waffe, die sie auf den vermeintlichen Angreifer richtete. Doch der Schatten war fort. Joli hielt aufgeregt inne. Hatte sie sich alles nur eingebildet? Sie blickte sich um. Hier war niemand außer ihr. Eine Weile blieb sie angespannt stehen. In Kämpferhaltung, wie sie es aus dem Kino kannte. Als jedoch nichts weiter geschah, ließ sie sich erschöpft auf die Bank sinken. Die Armbrust landete neben ihr.
Der Sand unter seinen Pfotenballen fühlte sich warm und trocken an, als er an den Grabsteinen vorbei über den Friedhof huschte und der Spur der Wölfin folgte. Ihr Geruch war längst nicht der einzige, der in seine empfindliche Nase drang, dennoch erkannte er, dass sie nicht nach Wolf allein roch. Irgendetwas war anders an ihrem Geruch, aber er wusste nicht so recht, was es war. Wenn Gerüche farbig wären, hätte ihr Duft ein dunkles Rot angenommen. Der Geruch eines Wolfes dagegen war nur Rot. Es schwang also eine Nuance mit, die nicht ganz passen wollte. Ein wenig erinnerte es ihn an seinen eigenen Geruch. Er hatte jedoch Zweifel, dass es sich um eine Werwölfin handelte. Den Geruch eines Werwolfs hätte er ohne Schwierigkeiten erkannt. Noch dazu gab es für sie keinen Grund, vor einem Artgenossen zu fliehen.
Die Duftstoffe der verschiedenen Pflanzen und Tiere um ihn herum lenkten ihn zu sehr ab, genauso wie die Geräusche, die nun von allen Seiten auf ihn eindrangen, die er in seiner menschlichen Gestalt jedoch kaum bemerkt hätte.
Doch in der Gestalt des Wolfes nahm er alles noch intensiver wahr. Er konzentrierte sich auf ihre Duftspur und lauschte dabei angestrengt, ob er ihren Atem oder den Schlag ihres Herzens hörte, aber sie war nicht mehr in der Nähe.
Ihr Geruch führte ihn in den Wald und schließlich zu einem kleinen Fluss, wo sich ihre Spur endgültig verlor. Sie hatte ihn offenbar bewusst abgehängt, was wiederum ein Zeichen dafür war, dass es sich nicht um eine normale Wölfin handelte. Ihr Verhalten war dafür viel zu untypisch.
Remierre lief auf allen Vieren in seiner wölfischen Geschwindigkeit den Fluss entlang, in der Hoffnung, irgendwo ihre Fährte wieder zu finden. Erfolglos. Die Wölfin hatte ihn ausgetrickst.
Der Wald und seine Gerüche erinnerten ihn an jene Nacht, als er in seiner Wolfsgestalt einen Pyr-Zirkel aufgespürt hatte. Es war sein erster Auftrag gewesen. In ihren dunklen
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