Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)
wilder Ehe gelebt hatten, verborgen vor den neugierigen Augen der Menschen.
Remierre hatte sich oft dabei ertappt, wie er gern an diese alten Zeiten zurückdachte. Ganz besonders jetzt schien es ihm absurd, in Jade irgendetwas Gutes zu sehen.
Aber manchmal vermisste er die Ausritte, die Musikabende, ihre Besuche in den Theatern, all die angenehmen Dinge des Lebens, die sie gemeinsam erlebt hatten und die er nur einen sehr kurzen Teil seines Lebens hatte genießen dürfen, bevor ihn sein Schicksal eingeholt hatte.
Ja, er hatte eine gewisse Zeit lang versucht, sich zu verleugnen und stattdessen ein normales Leben zu führen wie jeder andere. Aber weder er noch Jade waren ’normal’. Zu seinem Leid hatte er dann auch noch erkennen müssen, dass Jade, die einzige ihm bekannte Person, die ebenso verflucht war wie er, wankelmütig wurde, ganz besonders was die Loyalität zu ihm betraf. Sie war eine Frau, die das Abenteuer suchte und die Gefahr liebte, während er eine Aufgabe brauchte und diese sehr ernst nahm. Eines Tages hatte sie unfreiwillig den Schlussstrich gezogen, indem sie sich einem Vampir hingab, den sie auf einem Ball kennen gelernt hatte.
Dies war der Moment gewesen, in dem Remierre erkannt hatte, dass er ihr entwachsen war und dass sie zu verschieden waren, nicht zueinander passten, auch wenn er es lange Zeit nicht hatte sehen wollen.
Jade beantwortete seine Frage mit einem knappen Nicken. Einen Moment schwiegen sie sich an. Jades Hände zuckten noch immer, als hoffte sie, die Leine durch Bewegung zu lockern. Das Gegenteil war der Fall. Ihre Haut schimmerte blutrot und die Hände schwollen an, als würden sie jeden Moment aufplatzen.
„Ich habe kein Gefühl mehr in meinen Händen. Binde mich los, bitte.“
„Nicht so schnell. Warum ausgerechnet Joli? Was hat dich an ihr gereizt?“
„Oh, bitte, Remierre.“
„Sag es mir!“
Sie zuckte zusammen und nickte langsam. „Als ich in einer anderen Gestalt mit den Patienten im Biergarten saß und Joli in deiner Begleitung erblickte, wurde ich neugierig und ... eifersüchtig.“ Sie atmete tief durch.
„Eifersüchtig? Willst du mich veralbern?“
„Nein! Nach so vielen Jahren in denen ich dich nie vergessen konnte sah ich dich wieder und du hattest nur Augen für sie. Ich wollte wissen, wer sie ist und was es mit ihr auf sich hat. Also trennte ich mich von der Gruppe, verwandelte mich in einen Wolf und folgte euch zum Waldfriedhof.“
Deswegen war ihm der Duft der Wölfin so bekannt vorgekommen. Jetzt ergab alles einen Sinn.
„Um sie anzugreifen?“ Wütend zog er an der Leine und Jade schrie schmerzgepeinigt auf. Tränen standen ihr in den Augen. Aber Remierre kannte kein Mitleid.
„Ich wollte sie loswerden, um dich wieder für mich zu gewinnen. Ich konnte nicht zulassen, dass sie die neue Frau an deiner Seite wird.“
„Du warst es, die alles zerstörte!“, sagte Rem ungehalten.
„Ich weiß, ich weiß.“ Nun schluchzte sie. „Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen.“
„Dafür ist es zu spät“, sagte er bitter.
Nachdem Jade diesen Verrat begangen hatte, war eine Welt für ihn zusammengebrochen. Das Gefühl wieder allein zu sein mit dieser Last, diesem Fluch, der ihn daran hinderte, ein normales Leben zu führen, hatte ihn beinahe zerstört. Bis heute hatte er ihr nicht verziehen. Wäre er nicht irgendwann auf sein späteres Rudel getroffen, er hätte jeglichen Lebenssinn verloren.
„Was haben die Vampire mit Joli vor?“
Jade kniff die Lippen zusammen.
„Sprich!“ Er brüllte ihr ungehalten ins Gesicht. Zitternd sah sie ihn an. „Ich mache keine Scherze, Jade“, grollte er. „Ich bin nicht mehr der Gentleman, den du kennen gelernt hast.“ Seine Faust knackte.
„Dr. Freck benötigt sie für ein Ritual.“ Ihre Stimme war kalt.
„Was für ein Ritual, wovon sprichst du?“
„Deine liebe, süße Joli ist mein Geschenk an Pyr.“ Jades ängstlicher Gesichtsausdruck wandelte sich. Sie lachte hysterisch.
In seinem Zorn hätte er Jade am liebsten die Kehle zugedrückt, so lange und so fest, bis ihr Gesicht blau angelaufen wäre. Stattdessen beschwor er eine eisige innere Ruhe herauf, erhob sich von ihr, löste die Leine an den Pfosten, von ihrem linken Handgelenk, nicht jedoch vom rechten, und zerrte sie aus dem Bett. Unsanft schlug sie bäuchlings auf dem Boden auf.
„Was hast du vor?“, fragte sie zitternd.
„Ich werde Joli retten.“ Er drehte ihr beide Arme auf den Rücken und band sie mit der
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