Lynne Graham
erleichtert, fühlte sie sich andererseits beleidigt. Mit ihrer Anziehungskraft konnte es also nicht weit her sein. Es ärgerte sie, dass sie nur seinetwegen mit sich selbst im Clinch lag. „Und das wäre?“ Sie griff bereits nach ihrer Handtasche, um zu gehen.
„Sie brauchen eine Typberatung.“
Verdutzt erstarrte sie. „Wie bitte?“
„So wie Sie sich kleiden, nimmt uns keiner ab, dass ich mich für Sie interessiere“, sprach er mit brutaler Offenheit aus.
Ophelia war pikiert. Sie war sauber, ordentlich und adrett zurechtgemacht. Ihrer Meinung nach reichte das völlig aus. „An meinem Erscheinungsbild gibt es nichts auszusetzen …“
„Sie brauchen eine komplette neue Garderobe und eine neue Frisur, um in die Rolle zu passen. Meine Leute werden sich darum kümmern.“
„Ich will aber keine neue Garderobe!“ „Natürlich wollen Sie die“, behauptete er arrogant. „Alle Frauen lieben Designerkleider.“
„Ich nicht“, erwiderte sie tonlos. Sie wünschte, sie könnte es sich erlauben, ihm genaustens zu erklären, was er mit seinen Designerkleidern machen konnte. Doch natürlich wusste sie, dass er sich nur mit den schicksten und elegantesten Frauen abgab. Ein solches Interesse an dem eigenen Aussehen würde ihr immer fremd bleiben. Jäh wurde ihr klar, dass sie mit ihrer Zustimmung zu einer Heirat die Kontrolle über ihr eigenes Leben abgegeben hatte. So etwas passierte automatisch, wenn man seine Prinzipien verriet!
„Haben wir also einen Deal?“, drang seine Stimme in ihre Gedanken.
Es rauschte donnernd in ihren Ohren, sie ballte die Hände zu Fäusten, bis sich ihre Fingernägel in die Handflächen gruben. Langsam ließ das Bedürfnis, Lysander Metaxis zum Teufel zu schicken, nach. Sie musste an Molly denken. Denn was sonst sollte in dem Brief stehen, als Informationen, wo Molly zu finden war?
„Ja, wir haben einen Deal“, antwortete sie steif.
4. KAPITEL
Make-up bewirkte eine erstaunliche Veränderung mit Ophelias Gesicht. Nur konnte es nicht das tiefe Stirnrunzeln und den grimmig verzogenen Mund kaschieren, mit denen sie vor sich hinstarrte. Auch verbarg das weiße Seidenkleid mit der raffinierten Schleppe, das sich wie eine zweite Haut um ihre Figur schmiegte, nichts von ihren Kurven, im Gegenteil.
„Das Ding ist so eng, dass ich mich nicht einmal setzen kann“, beschwerte sie sich verdrießlich.
„Eine Braut soll sich auch nicht setzen. Und jetzt sag bitte nicht wieder, dass du keine richtige Braut bist“, versuchte Pamela sie aufzumuntern. „Denk einfach daran, dass alle deine Geldsorgen vorbei sind, sobald du aus der Kirche herauskommst.“
Ophelia versuchte zu lächeln und versagte kläglich. „Du solltest jetzt nach Hause gehen. Danke für deine Hilfe.“
„Musst du nicht langsam los?“
„Ich hab’s nicht eilig.“
„Na, wenn du mich nicht mehr brauchst …“ Pamela stand auf. „Du siehst fantastisch aus. Wirklich schade, dass es nicht echt ist.“
Nachdem Pamela gegangen war, lief Ophelia unruhig im Salon auf und ab. Minute um Minute verstrich. Der Chauffeur, der sie zur Kirche bringen sollte, klopfte zweimal an, um sie daran zu erinnern, dass sie fahren mussten, wenn sie pünktlich sein wollten, und noch immer brachte Ophelia es nicht über sich, das Zimmer zu verlassen.
Die zehn Tage seit ihrem Treffen mit Lysander in London waren enorm stressig verlaufen. Zum einen waren da die Hochzeitsvorbereitungen gewesen, und zum anderen war Madrigal Court von einer Unmenge von Fremden überschwemmt worden. Da wurden Vermessungen vorgenommen, Wände abgeklopft, Bodendielen aufgerissen. Alles war verändert worden, und kein einziges Mal hatte man sie nach ihrer Meinung gefragt.
Immerhin hatte Ophelia sich in die Abgeschiedenheit ihres Gartens zurückziehen können, denn noch am gleichen Abend, als sie aus London zurückkehrte, fand sie das Tor am Weg unverschlossen vor.
Und während Putzkolonnen durchs Haus zogen und Möbelpacker ganze LKW-Ladungen ins Haus schleppten, hatte Ophelia auch noch die hektische Aufmerksamkeit eines ganzen Teams von Kosmetikerinnen und Imageberatern über sich ergehen lassen müssen, von denen niemand scheinbar mehr in ihr sah als eine lebendige Puppe, die hergerichtet werden musste. Nun, sobald sie den Ring am Finger trug, würde sie Designergarderobe, Spitzendessous und Stilettos in die Kleiderkammer verbannen.
Lysander fiel vor allem durch seine Abwesenheit auf. Einmal hatten sie miteinander telefoniert, und dass auch nur, weil
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