Lynne Graham
Ophelia ihn angerufen hatte. Er hatte nämlich die aufreibende Angewohnheit, ihr eine endlose Liste von Anweisungen durch sein Personal zukommen zu lassen. Der Ehevertrag, der festlegte, dass jeder bei einer Trennung nur das erhalten würde, was er mit in die Ehe gebracht hatte, und zudem Ophelia im Falle der Trennung eine horrend hohe monatliche Summe garantierte, war unterschrieben, die ausstehenden Rechnungen für Madrigal Court beglichen.
Nach einer anstrengenden Woche in Griechenland kehrte Lysander nach England zurück. Es war nicht einfach für ihn gewesen, in Athen den Ärzten und Krankenschwestern die Verantwortung zu überlassen. Nur gut, dass er nicht der emotionale Typ war. Anders als sein Adoptivvater verzichtete er grundsätzlich auf Zähneknirschen und Händeringen und großes Drama. Und wenn er momentan extrem schlecht gelaunt war, dann schob er es auf die Zeitverschiebung und unnütze Hochzeiten zurück.
Wie lange es wohl dauern mochte, bevor das heruntergekommene Haus wieder im alten Glanz erstrahlte? Blieb überhaupt genügend Zeit? Bei diesem negativen Gedanken brach er schnellstens ab. Der Hubschrauber setzte auf der Wiese hinter der Kirche auf. Bis zur Zeremonie blieben noch knapp fünf Minuten. Sein Timing war wieder einmal perfekt. Seine Anwälte würden als Zeugen zugegen sein, und in achtundvierzig Stunden konnte er sich wieder auf den Weg machen.
In der Kirche jedoch gingen dem Vikar nach einer Viertelstunde Warten langsam die Themen aus, um noch von der Situation abzulenken. Die Braut war nicht aufgetaucht.
Schließlich marschierte Lysander energisch das Mittelschiff entlang zum Ausgang. „Ich hole sie.“
Genau in dem Moment fuhr die Limousine vor der Kirche vor. Der Chauffeur überschlug sich, um die Tür für Ophelia offenzuhalten, während die Braut mit aufreibender Langsamkeit aus dem Wagen stieg, so als hätte sie alle Zeit der Welt. Das goldene Haar war raffiniert frisiert, zarte Löckchen umspielten ihr Gesicht, das in faszinierendem Liebreiz erstrahlte. Das letzte Mal, als Lysander sie gesehen hatte, war sie ein Rohdiamant gewesen, jetzt war sie bis zur funkelnden Perfektion geschliffen. Perfektion an der Oberfläche, um die darunterliegende gierige Seele zu verbergen, erinnerte er sich grimmig.
„Du kommst spät“, begrüßte er sie kühl.
Das Sonnenlicht spielte auf seinem dunklen Haar, warf Schatten und Licht auf sein markantes Gesicht. Ein gefährliches kleines Beben meldete sich in ihrem Schoß. Ophelia zuckte mit einer Schulter. „Immerhin bin ich gekommen.“
Es war eine Anspielung darauf, dass sein Vater ihre Mutter versetzt hatte. Sicher nicht gerade die ruhmreichste Stunde seiner Eltern, aber Aristide hatte seine Gründe gehabt, und der Sohn war nicht begeistert, jetzt daran erinnert zu werden.
„Gehen wir hinein.“ Er reichte ihr seine Hand.
Seine Höflichkeit ließ sie sich kleingeistig fühlen, doch sie konnte nicht verhindern, an die unglückliche Erfahrung ihrer Mutter zu denken, und es war wie ein kalter Windhauch, der über ihre bloßen Schultern strich. Die Trauungszeremonie war feierlich und bewegend, und als der schmale Platinreif über ihren Finger gestreift wurde und der Vikar das frisch vermählte Paar gütig anlächelte, da kam sich Ophelia wie eine Betrügerin vor.
Zurück in der Limousine blickte sie Lysander unverwandt an. Dieser Drang, ihn immer und immer wieder anzusehen, ließ sich nicht unterdrücken. Als hätte sie sich einen Virus eingefangen, der ihren gesunden Menschenverstand und ihre Selbstbeherrschung zerstörte. War sie anfälliger dafür, weil sie noch unerfahren war? Bisher hatte sie sich nie Gedanken darüber gemacht. Sie hatte einfach noch niemanden getroffen, mit dem sie schlafen wollte. Sich zu verabreden war ihr den Aufwand nie wert gewesen. Doch zwei Treffen und ein Kuss, und Lysander Metaxis hatte ihr gezeigt, wie stark echte Leidenschaft werden konnten. Diese neue Erkenntnis beunruhigte sie. Hatte sie denn nichts aus dem Schicksal ihrer Mutter gelernt?
Als die Limousine vor dem Herrenhaus anhielt, konnte Ophelia gar nicht schnell genug aussteigen, denn nun würde sie endlich den geheimnisvollen Brief ihrer Großmutter öffnen können.
Doch Lysander hielt sie zurück. Erst mussten noch die Hochzeitsfotos aufgenommen werden. Der Fotograf lächelte zufrieden. Die Bilder von dem sinnlichen Kuss des Hochzeitspaares würden großartig werden.
Schließlich eilte Ophelia auf den Eingang zu. „Ich glaube nicht, dass das
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