Lynne Graham
absolut nötig war.“ Ihr schwindelte noch immer von dem Kuss, und ihre Wangen brannten.
„Stell dich nicht so an“, konterte Lysander trocken. Er war wütend auf sich, dass er nicht mehr Zurückhaltung gezeigt hatte. „Das lässt die Sache echter wirken.“
An der Tür wurden sie von einem Hausdiener empfangen, der ihnen auf einem Tablett gefüllte Champagnerflöten anbot. Ophelia runzelte die Stirn. „Ich trinke nicht.“
Mit einem warnenden Blick drückte Lysander ihr dennoch eine Flöte in die Hand. „Heute schon. Es ist ein besonderer Anlass.“
Vor Ärger über sich selbst, weil sie bei dem Kuss so heftig auf ihn reagiert hatte, hielt Ophelia die feine Flöte so fest, dass sie Angst hatte, der Stiel würde zerbrechen. Mit einem einzigen Zug leerte sie das Glas und stellte es auf das Tablett zurück. Nun, ein Mal würde ihr wohl nicht schaden. Sie sah sich in der Halle um. Hier standen sämtliche Anwälte zusammen und erfreuten sich an großzügig angebotenen Drinks und Häppchen. Lysander war schon bald in angeregte Diskussionen mit seinen Rechtsberatern vertieft, und so steuerte Ophelia auf ihren Familienanwalt zu.
„Ich habe den Brief für Sie dabei“, begrüßte Donald Morton sie aufgeräumt.
„Danke.“ Für einen Moment drückte Ophelia den erstaunlich prallen Umschlag an die Brust, bevor sie ihn aufriss. Als sie die Blätter auffaltete, fiel ein kleiner Zettel heraus und segelte zu Boden. Sie bückte sich und hob ihn auf, las den einzelnen handgeschriebenen Satz mit gerunzelter Stirn.
Molly war zur Adoption gegeben worden.
Mehr nicht. Keine Einleitung, keine Erklärung, keine zusätzlichen Informationen. Nur diese wenigen Worte in der unleserlichen Handschrift ihrer Großmutter.
Erschüttert starrte Ophelia auf den Zettel. Eine solche Möglichkeit hatte sie niemals in Betracht gezogen. War die Geschichte, dass Mollys Vater sie abgeholt hatte, nur gelogen gewesen? Wenn Molly sich nicht ihrerseits auf die Suche nach ihren Verwandten machte, würde Ophelia wahrscheinlich nie wieder von ihrer Schwester hören. Tränen der Enttäuschung stiegen ihr in die Augen. Sie las die ersten Zeilen des Dokuments, las sie wieder und wieder, bevor sie den Sinn verstand. Entgeistert ging sie zu Morton, der sich inzwischen am Buffet bediente.
„Das hier war in dem Umschlag“, sagte sie mit bebender Stimme. „Es sieht aus wie ein Testament.“ Der ältere Mann setzte sofort erstaunt seinen Teller ab. „Darf ich mal sehen?“
Noch immer in endloser Enttäuschung gefangen, reichte Ophelia ihm das Dokument. Sie hatte sich umsonst Hoffnungen gemacht, Molly schien ihr jetzt unerreichbarer denn je.
„Kann ich Sie im Salon sprechen, Miss Carter … ich meine, Mrs. Metaxis?“
Die Gespräche in der Halle verstummten langsam, mehr und mehr Köpfe drehten sich zu Ophelia und Donald Morton. Und unglücklicherweise hatte der alte Anwalt den Namen Metaxis ausgesprochen, sodass Haddock in der Stille sofort zu seiner Schimpftirade ansetzte.
„Lumpenpack! Nie wird ein Metaxis auf Madrigal hausen!“ In der schockierten Stille beobachtete Ophelia benommen, wie Morton sich mit dem Dokument an Lysanders Anwälte wandte. Sie ging in den Salon hinüber, der nicht wiederzuerkennen war. Abgenutztes Mobiliar, das nicht zusammenpasste, war von eleganten Möbeln und wunderschönen Gemälden ersetzt worden.
Sie presste die Hände an die heißen Wangen, als ihr die Bedeutung eines zweiten Testaments klar wurde. Welche weiteren Boshaftigkeiten hatte Gladys sich in diesem Testament einfallen lassen? Falls es nach dem ersten datiert war, dann würde es dieses nichtig machen.
„Ophelia?“ Mit harter Miene kam Lysander in den Raum. „Was hat der Aufruhr zu bedeuten? Es gibt ein zweites Testament?“
„Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht“, beteuerte sie gepresst. Sie musste den Blick von seinen Lippen losreißen, die vorhin noch mit ihrem Mund gespielt hatten. Die Betonung lag auf „gespielt“, wie sie sich traurig eingestand. Sie hatte sich überrumpeln lassen. Hastig verbot sie sich daran zu denken, dass sie jetzt mit Lysander verheiratet war. Aber es war ja keine Ehe, sondern eine Abmachung.
Er überraschte sie, indem er ihre Hände nahm, als sie sich abwenden wollte. Ihre Blicke trafen aufeinander, und verärgert entwand sie ihm ihre Finger und drehte sich weg. Sie fühlte eine Verbindung zu ihm, doch das wollte sie nicht wahrhaben. Diesen Funken musste sie löschen, bevor sich aus ihm ein Flächenbrand
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