Lynne Graham
Liebe war etwas, über das Ophelia nicht nachdenken wollte.
„Ich hatte schon befürchtet, Lysander würde für immer allein bleiben, aber dann kamst du und … er ist wie ausgewechselt. Schon als Kind war er ernst und schweigsam. Er spielte nicht wie andere Kinder. Und als erwachsener Mann kannte er nur seine Arbeit.“
„Nun, er hat auch viele Partys gefeiert“, konnte Ophelia sich nicht verkneifen.
Virginia wusste, worauf Ophelia anspielte. „Sicher. Aber keine von diesen Frauen hat ihm wirklich etwas bedeutet. Ich habe ihn sogar schon für herzlos gehalten, aber … er hat wohl auf die ganz altmodische Art auf die Richtige gewartet. Seit er dich kennt, ist er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich glücklich.“
Das ungute Gefühl breitete sich immer weiter in Ophelia aus. Die Teilchen passten jetzt alle perfekt zusammen. Das Bild, das sich daraus ergab, war kein sehr schönes: Lysander hätte alles getan, um so schnell wie möglich an Madrigal Court heranzukommen, einschließlich einer Heirat. Damit er seiner Mutter das Haus zurückgeben konnte, bevor die Krankheit sie dahinraffte. Vielleicht hatte er darauf gehofft, dass das alte Haus mit seinen Erinnerungen seiner Mutter mehr Kraft im Kampf gegen die Krankheit geben würde. Die Bedingung, die Ehe zu einer normalen Ehe zu machen, sollte etwas über die Heirat an die Öffentlichkeit gelangen, war zum Schutz seiner Mutter gedacht gewesen. Er war kein übertrieben anhänglicher Sohn, aber mit Sicherheit ein sehr loyaler. Niemals hätte er seine Mutter mit der Tatsache aufgeregt, dass er eine Fremde heiratete, nur um das einstige Familienanwesen wieder zurückzuerhalten. Und offensichtlich hielt er Ophelia für so unterhaltsam, dass er mit ihr zusammenbleiben wollte, auch wenn er sie nicht liebte.
„Ist alles in Ordnung mit dir, Liebes?“, fragte Virginia besorgt. „Du bist plötzlich so blass …“
„Doch, natürlich. Wenn ich mich vielleicht nur etwas frisch machen könnte …“
In dem eleganten Bad mühte Ophelia sich verzweifelt darum, den Gefühlstumult, der in ihr tobte, unter Kontrolle zu bringen. Sie glaubte, der Boden sei ihr unter den Füßen weggezogen worden. Ihr Magen drehte sich, Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
Ihre Ehe bestand nur wegen Lysanders Mutter. Virginia war glücklich, dass er verheiratet war, und für seine Mutter war Lysander auch bereit, verheiratet zu bleiben. Und natürlich war er beruhigt, jetzt da seine Mutter sich erholte, wenn sie ihm so viel bedeutete.
Doch wo genau stand Ophelia in diesem Szenario jetzt? Sie liebte einen Mann, der sie aus Rücksichtnahme auf seine Mutter als Ehefrau tolerierte. Konnte sie damit leben? Konnte sie mit einem solchen Mann Kinder haben? Konnte sie so tun, als hätte sie nicht zwei und zwei zusammengezählt und als hätte die Summe unterm Strich nicht ihr Herz gebrochen? Dass er sie liebte, hatte sie nie gewagt zu hoffen, aber sie hatte wirklich geglaubt, er fände sie attraktiv und ihm läge auch an ihr. Jetzt stellte sich heraus, dass er nur das Beste aus einer schwierigen Lage machte.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zuckte zusammen. Ihre Brüste waren so empfindlich. Ihr Magen rumorte auch noch immer. Natürlich konnte das der Schock sein, aber ebenso gut waren es möglicherweise die ersten Anzeichen für eine Schwangerschaft. Sie und Lysander hatten beschlossen, nicht länger zu warten. Sie hatte so oder so geplant, in ein paar Tagen einen Test zu besorgen, nur um sich bestätigen zu lassen, was sie schon länger ahnte. Die Frage, ob sie mit dieser Ehe leben konnte, stellte sich also gar nicht mehr. Sollte sie wirklich schwanger sein, dann hatte ihr ungeborenes Kind das Recht auf ein echtes Zuhause mit zwei Elternteilen.
Ophelia kehrte wieder zu Virginia zurück und zwang sich, unbeschwert zu plaudern – über Madrigal Court, die große Party und wie sehr sie die Zeit auf Kastros genossen hatte. Nur an nichts Negatives denken, denn sonst würde sie die Fassung verlieren. Doch sobald sie sich von Virginia verabschiedet hatte und im Lift nach unten stand, ließ sie die Schultern sacken. Heute Abend wollten Lysander und sie zusammen zum Dinner ausgehen, doch sie konnte ihm jetzt nicht gegenübertreten. Nicht, wenn sie sich betrogen, unendlich verletzt, wütend auf sich selbst und ihn und völlig aufgelöst fühlte.
In der Limousine teilte sie dem Chauffeur mit, dass sich der Plan geändert habe. Sie würde nach Madrigal Court fahren, um dort in Ruhe zu
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