Lynne Graham
sie dein Kind großzieht?“
Doch Ella hatte sich sämtlichen kritischen Anmerkungen verschlossen. Für sie stand fest, dass die Spende ihrer Eizellen alle Beteiligten glücklich machen würde. Susie hatte so oft davon geschwärmt, was für eine großartige Tante Ella dem Baby sein würde.
Aber dann kam Callies Geburt und mit ihr der Schock für Ella. Susie wollte nichts mehr mit ihrer Schwester zu tun haben. Sie rief Ella noch vom Krankenhaus aus an, um ihr zu sagen, dass sie nicht zu Besuch kommen und die neue kleine Familie in Ruhe lassen solle.
Ella war maßlos verletzt gewesen, doch sie versuchte zu verstehen, dass Susie sich durch die Umstände bedroht fühlen musste. Sie schrieb der Schwester, mehrere Male sogar, um ihr erneut zu versichern, dass sie keinerlei Ansprüche auf Callie stellen würde, doch sie erhielt nie eine Antwort auf ihre Briefe. Ver zweifelt über die tiefe Kluft, die sich aufgetan hatte, war Ella an Timon herangetreten, als dieser geschäftlich in London zu tun hatte. Zerknirscht hatte ihr Schwager eingestanden, dass seine Frau innerlich aufgefressen wurde von der Tatsache, welche Rolle Ella bei der Empfängnis ihrer Tochter gespielt hatte. Ella hatte darauf gehofft, dass sich Susies Unsicherheit mit der Zeit legen und somit ein Neuanfang möglich würde, doch siebzehn Monate nach Callies Geburt verunglückte das junge Ehepaar tödlich bei einem Autounfall. Und um das Ganze noch schrecklicher zu machen, erfuhr Ella erst zwei Wochen danach von der Tragödie, sodass sie nicht einmal zur Beerdigung hatte gehen können.
Als sie dann schließlich wusste, dass ihre einzige Schwester tot war, fühlte Ella sich schrecklich allein – nicht zum ersten Mal in ihrem Leben. Ihr Vater war kurz nach ihrer Geburt verstorben, sie hatte ihn nie kennengelernt. Sechs Jahre später heiratete ihre Mutter Jane Theo Sardelos. Mit ihrem Stiefvater war Ella nie sonderlich gut zurechtgekommen. Theo, ein griechischer Geschäftsmann, zog es vor, wenn man Frauen sah, aber nicht hörte, und wütend hatte er Ella den Rücken gekehrt, als sie sich weigerte, Aristandros Xenakis zu heiraten. Die zart besaitete Jane hatte nie die Energie besessen, sich ihrem despotischen Ehemann zu widersetzen, also hätte es auch gar keinen Sinn gehabt, dass Ella sich an ihre Mutter um Hilfe wandte. Die Zwillinge, Ellas Halbbrüder, hatten für den Vater Partei ergriffen, und Susie hatte sich immer strikt geweigert, sich mit in die Diskussion hineinziehen zu lassen.
Um auf andere Gedanken zu kommen, setzte Ella sich jetzt an das Klavier und stellte den Deckel auf. Wann immer die Emotionen in ihr die Oberhand zu gewinnen drohten, wandte sie sich der Musik zu, um ihre innere Ruhe wiederzufinden. Sie hatte gerade die ersten Akkorde einer Etüde von Liszt angeschlagen, als das Telefon klingelte.
Sie stand auf, nahm den Hörer zur Hand und verharrte regungslos, als ihr klar wurde, dass dies der versprochene Rückruf aus der Xenakis-Zentrale war. Ein persönlicher Mitarbeiter von Aristandros teilte ihr mit, dass sie nächste Woche bitte nach Southampton reisen solle, um Mr. Xenakis an Bord seiner Jacht Hellenic Lady zu treffen. Ella war so erleichtert, dass Ari tatsächlich einem Treffen mit ihr zugestimmt hatte, dass sie nicht den geringsten Einwand erhob.
Doch als Lily aus der Klinik nach Hause kam, machte sie Ella sehr schnell klar, was diese im Begriff stand zu tun.
„Wozu soll das gut sein, dass du dich dem aussetzt?“ Ihr sonst
immer so lebhaftes und freundliches Gesicht, umrahmt von braunen Locken, wirkte ungewöhnlich ernst.
„Ich möchte einfach nur Callie sehen“, behauptete Ella.
„Oh, hör doch auf, dich selbst zu belügen. Du willst ihre Mutter sein, und wie hoch, meinst du, sind die Chancen dafür, dass Aristandros Xenakis dem zustimmt?“
„Und warum sollte er nicht? Mit einem achtzehn Monate alten Kleinkind kann man schlecht auf ausschweifende Partys gehen“, konterte Ella hitzig.
„Er wird Leute einstellen, die sich um sie kümmern. Schließlich ist er reich wie der sagenhafte Krösus. Alles, was er anfasst, wird zu Geld“, erinnerte Lily die Freundin. „Das Erste, was er dich fragen wird, ist, was dich die ganze Sache überhaupt angeht.“
Ella wurde blass. Der Zweckoptimismus hatte sie einige Realitäten übersehen lassen. „Jemand muss aber Callies Interessen vertreten.“
„Natürlich, und wer hätte mehr Recht dazu als ihre Eltern? Und die haben ihn als Vormund bestimmt. Willst du jetzt deren
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