Lynne Graham
schmalen Schultern, um deutlich zu machen, wie wenig sie erwartete. „Ich glaube, er ist einfach nur neugierig darauf, wie ich lebe.“
„Wirst du es ihm sagen?“
Kathy wurde blass und verspannte sich. Sie wusste sofort, dass Bridget auf die Gefängnisstrafe anspielte. „Ich glaube nicht, dass ich lange genug mit Sergio zusammen sein werde, dass solche Geständnisse nötig werden. Aber wenn er zu viele unangenehme Fragen stellt, werde ich nicht lügen.“
„Gib den Dingen eine Chance, sich zu entwickeln“, riet Bridget ihr.
„Er ist viel zu erfahren und in der ganzen Welt herumgekommen, als dass ich ihn täuschen könnte. Wenn ich erzähle, ich sei die Zeit über im Ausland gewesen, wird er mich schnell aufs Glatteis führen“, erwiderte Kathy ruhig.
„Warum sollte er deine Geografiekenntnisse überprüfen?“, gab Bridget zurück. „Platz nicht damit heraus, solange es nicht nötig ist. Du darfst ruhig ein paar Geheimnisse haben, bis du ihn besser kennst.“
Bridget war sehr romantisch, und Kathy mochte sie so, wie sie war. Aber sie hatte es noch nicht übers Herz gebracht, ihrer Freundin zu gestehen, dass sie bereits mit Sergio geschlafen hatte. Denn je länger sie darüber nachdachte, desto mehr schämte sie sich für ihr Verhalten und ärgerte sich über ihre Unvernunft. Die Angst, ihr heißes Liebesspiel könnte Folgen haben, hatte sie bislang erfolgreich verdrängt, doch in ein paar Tagen wollte sie einen Test machen.
Überraschenderweise hatte Sergio sie in der Zeit, in der er nicht in London war, ein paarmal angerufen. Egal, ob er ihr von den Naturschönheiten der Wildnis Norwegens berichtete oder ob er ihr von seiner Leidenschaft für den teuersten Kaffee der Welt erzählte: Sergio konnte sehr unterhaltsam sein.
Ihre Neugier über ihn stillte Kathy im Internet. Was sie herausfand, faszinierte und beunruhigte sie zugleich. Sergio war unter fürstlichen Bedingungen in einem riesigen Palazzo in Italien aufgewachsen. Er führte ein behütetes Leben, bis er sich aus unbekannten Gründen mit seinem Vater überwarf. Damals studierte er noch, und obwohl er offensichtlich zugunsten seines jüngeren Halbbruders enterbt wurde, verdiente er seine erste Million noch vor dem vierundzwanzigsten Geburtstag. Seitdem war es auf der Überholspur immer weiter bergauf gegangen. Er war unglaublich reich, und das Tempo, in dem er seine beruflichen Erfolge einheimste, behielt er auch im Privatleben bei. Wenn er nicht gerade bei einer gefährlichen Sportart sein Leben riskierte, vertrieb er sich die Langeweile mit einer endlosen Parade schöner prominenter Frauen.
Als Kathy am nächsten Abend mit dem Bus nach Hause fuhr, bemühte sie sich, nicht allzu sehr über diese unangenehme Wahrheit nachzugrübeln. Immerhin hatte es Sergio mit einem Fingerschnippen geschafft, ihr Leben zu verändern, indem er ihr diesen Job in einer Werbeagentur verschaffte. Sie liebte die Arbeit am Empfang, lernte schnell und war bereits gelobt worden. Es war die Gelegenheit, die sie so dringend gebraucht hatte, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und Erfahrungen zu sammeln. Ohne Sergio hätte sie diese Chance nicht bekommen. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie heute Abend mit ihm schlafen würde. Falls sie Schach spielten, wollte sie sich wieder zurückhalten und ihn gewinnen lassen.
Die Vorstellung amüsierte sie noch, als sie das zitronengelbe Kleid anzog.
Ein Wagen holte sie um Punkt acht Uhr ab und brachte sie quer durch die Stadt zu einem exklusiven Apartmenthaus. Kathy war angespannt und fühlte sich unbehaglich.
Ob Sergio sie wohl ausführen würde? Oder wollte er nirgendwo mit ihr hingehen, weil er fürchtete, dass ihre Tischmanieren oder ihre Erscheinung ein schlechtes Licht auf ihn werfen könnten?
Selbstbewusst trat Kathy aus dem Lift in eine riesige Eingangshalle mit Marmorfußboden. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und ihre Wangen wurden heiß.
„Kathy …“ Sergio kam gemächlich auf sie zu, um sie zu begrüßen.
Es gibt nur ein Wort, das ihn beschreibt, dachte sie, während sich in ihrem Kopf alles zu drehen schien: großartig. Sein Anzug hatte die Farbe von Zartbitterschokolade, dazu trug er ein hellbraunes T-Shirt. Alles in allem wirkte er klassisch und lässig zugleich. Ein kurzer Blick in sein schmales, attraktives Gesicht ließ die Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen. Es kostete sie all ihre Selbstbeherrschung, um nicht laut zu sagen, was sie dachte.
„Ist das dein Apartment?“, fragte sie
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