Lyon - A.M.O.R. 01
die Augen. „Wir haben uns 466 Jahre lang nicht gesehen. Dennoch bin ich mir heute wie damals sicher, dass du niemals ohne Grund den Rückzug angetreten hättest!“
Lyon erwiderte starr seinen Blick. Bash ahnte die Wahrheit. Einerseits tat es verdammt gut, andererseits stellte es ein Risiko dar. Bash durfte nichts von dem Deal wissen.
„Wir kennen uns seit Kindertagen, wir haben zusammen gekämpft und geherrscht, verdammt, du bist ein unverbesserlicher Sturkopf und hättest nie und nimmer …“
„Es reicht, Bash.“
Bash strich sich in seiner unnachahmlichen Art über seinen langen, rotbraunen Zopf. „Weißt du eigentlich, wie es um uns steht?“
Lyon horchte auf. Er richtete seinen Oberkörper in gebannter Erwartung zur vollen Größe auf. „Der Krieg ist doch vorbei, es herrscht Frieden mit den Magycen, oder?“
„Ja.“ Bash zog das Wort in die Länge. „Kurz, nachdem du verschwunden warst.“
Lyon lehnte sich zurück. Gut. Waren seine Informationen doch richtig gewesen. Die Aussage des Strategen beruhigte ihn. Nun konnte er seinen eigenen Ort des Friedens im Schlaf wieder aufsuchen. Eine seltsame Unruhe hatte im vergangenen Jahrhundert an ihm genagt.
„Wie häufig hast du mit einem Amorphen gesprochen?“, fragte Bash unvermittelt.
„Nie.“
„Himmel, Herr! Und wie dich genährt?“
„Von Menschen.“
„Nur von Menschen?“ Bash verzog das Gesicht, als hätte er Gammelhai gelutscht.
„Was soll die Fragerei?“ Ein unangenehmes Kribbeln erfasste Lyons Wirbelsäule. „Rede! Was ist?“
Bash knurrte böse, während er ihn musterte. Seine Oberlippe zuckte. „Es herrscht kein Krieg, oh nein, darauf konnten sie verzichten, denn sie hatten uns ja schon während deiner Amtszeit und in den Jahrzehnten davor stark dezimiert.“ Bashs Augen leuchteten unheilvoll. In Lyon sträubte sich plötzlich alles, mehr zu erfahren. Bashs Miene verriet, Verheerendes war ohne sein Wissen in seiner Abwesenheit geschehen. Doch Bash kam seiner Aufforderung, zu reden, nach und so erfuhr er, was sich tatsächlich in der Zeit seines Tiefschlafes zugetragen hatte.
„Mein Bruder Mack verschwand 1545 spurlos mit Frau und Kind. Im gleichen Jahr wie du, König. Die Magycen hatten bereits fast alle kämpfenden Amorphen getötet, es blieb keine vollständige Armee übrig, die in die Schlacht hätte ziehen können. Doch der Feind zog sich unerwartet zurück. Im allerletzten Moment.“ Bashs Oberlippe kräuselte sich. Seine Fänge blitzten. „Die große Schlacht war beendet. Wir wähnten uns in Sicherheit. Erst nach Jahren stellte sich heraus, dass sie Kopfgeldjäger ausbildeten, um ohne viel Aufsehen einen Amorphen nach dem anderen zu beseitigen. Der Abschaum will uns bis auf den Letzten ausrotten.“
Lyons Pulsschlag geriet aus dem Gleichtakt. Fast ohnmächtig vor Zorn und Unglauben ballte er die Hände zu Fäusten.
„Meine endlose Suche nach dir und meinem Bruder Mack verlief ergebnislos im Sande, gewann aber neuen Nährboden, als meine Schwester Hili 1703 von einem verfickten Kopfjäger entführt und trotz meiner unermüdlichen Verfolgung ermordet wurde. Hili war keine Hundert!“
Bash leerte sein Glas mit einem Zug. Lyon entwich jegliches Gefühl aus dem Körper. Seine wirren Gedanken drehten sich wie in einem Tornado um Verrat, verlorene Freunde, verschenkte Lebenszeit und Rache. Die derart schwere Last schnürte ihm regelrecht die Lippen zu.
„Einen Tag nach der Trauerzeremonie für Hili verließ ich meine Eltern, ließ mich im Untergrund ausbilden, mir weitere Finessen angedeihen und machte mir rasch einen berühmt-berüchtigten Namen.“ Bashs Mundwinkel formten ein fieses Grinsen. „Es gibt bei den Feinden einige skrupellose Kopfgeldjäger. Und auf der anderen Seite gibt es – mich. Den D’fox, den todbringenden Fuchs.“ Bashs kaltes Grinsen lag ihm wie festgefroren im Gesicht.
Lyon versuchte, im Hier und Jetzt zu bleiben, sich nicht von einem emotionsgeladenen Strudel fortreißen zu lassen. Bash, ein Taktiker und Liebhaber der schönen Künste hatte den Weg eines verabscheuenswerten Kopfjägers gewählt, der Magycen hetzte und Feindesblut trank. Es musste noch viel Schlimmeres geschehen sein, wenn sich sein ehrbarer Freund in einen gewissenlosen Auftragskiller verwandelt hatte. „Warum erzählst du mir das?“ Lyons Stimme gehorchte ihm kaum. Sie schwankte zwischen abgrundtiefem Zorn und unbestimmter Hoffnungslosigkeit.
Bash strich erneut über seinen langen Zopf, seine Augen blitzten unter
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