Lyon - A.M.O.R. 01
alle wirren Gedanken über Bord und strich ihm über die verrußte Stirn. „Alles wird gut.“
„Hilf mir bitte auf.“
„Nein, nein. Bleib liegen. Du siehst aus, als wenn du in einen Schredder g e raten wärst. Ich hole …“
Er rollte sich knurrend auf die Seite und spuckte Blut. Dann zwang er sich auf die Ellbogen und auf die Knie. Die erdrückenden Schmerzen las sie in se i nem Gesicht ab, sie wäre längst hundert Mal ohnmächtig geworden. Er war zäher als ein normaler Mensch. Welch Überraschung.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Ja.“
Sein eiskalter Blick traf sie. Nur aus einem Auge, das andere war zug e schwollen. Er sah zum Fürchten aus. „Und wie?“
„Dein Blut würde mich schneller heilen lassen.“
„Ach du Scheiße. Nein!“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund und zog sie wieder weg, weil sie blutbeschmiert war. Sie rückte von ihm ab.
Lyon brummte etwas Unverständliches. Es klang, als hätte er eben nur einen Scherz machen wollen. Er streckte den Rücken, was ihm das Aussehen eines Berggorillas verlieh, der sich gleich auf die aufgeplusterte Brust trommeln wol l te. Warum nahm er es sich nicht? Oder doch ein Witz? Sie schluckte. Das passte nicht zu dem, was sie bisher von ihm kennengelernt hatte. Oder doch? Schließlich hatte er ihr nie irgendetwas getan. … außer sie zu Tode zu ängst i gen, zu bedrohen, zu bedrängen und ihr den Verstand zu rauben. Meine Güte, sie brauchte echt eine Tüte englisches Weingummi, eine immens große, ihre langweilige Realität zurück und ihren alten Körper, den sie genau kannte und der auf das hörte, was ihr Verstand ihm sagte.
„Wir müssen sofort weg von hier.“
„Wir?“ Erst ließ er sie allein, beantwortete keine ihrer Fragen und nun …? Eines wusste sie jetzt mit Gewissheit, auch ohne dass ihre neuen Supersinne ihr dies eintrichterten – Lyon stellte keinerlei Gefahr für sie dar. Die Verbi n dung, die sie zu ihm spürte, war absolut unheimlich und wurde mit jeder B e gegnung intensiver. Aber ihm deshalb gleich ohne Bedenken folgen? Nein, niemals wieder würde sie blindlings vertrauen.
Er richtete sich auf. Ein Be rg von Mann. Die Miene verzerrt. E r schwankte bedenklich, fing sich aber, obwohl ein Bein gebrochen schien . Seine Schme r zen schwappten in gedämpften Wellen zu ihr. S ie ließ lieber Vorsicht walten, wollte ihr Mitleid nicht zeigen.
Lyon schloss kurz die Augen. „Sie werden bald auftauchen. Wir verschwi n den jetzt.“
„Wer sind sie?“ Adina starrte ihm in das ramponierte Gesicht. Sie hasste es, wenn andere meinten, sie hin und her schubsen zu können. Sie entschied für sich allein.
„Sie werden erst mich, danach dich töten.“
Adina zog den beschmutzten Pulli über den BH, stemmte die Hände in die Hüften. Das gab ihr Selbstvertrauen, um sich gegen diesen Kerl zu behaupten. „Das habe ich mir schon gedacht, Einstein. Deshalb muss ich noch lange nicht mit dir gehen.“
Sein düsteres Auge funkelte sie an. „Wenn du dir nicht helfen lassen willst, bitte. Dann bleib. Wirst du zum Amorphen, finden sie dich erst recht.“ Sein Lid senkte sich und im nächsten Atemzug war er verschwunden.
Adina trat bis zu einem kahlen Stamm zurück, der sie stützte. Sie sah sich gehetzt um, doch kein Lebewesen schien in Sichtweite, auch sonst regte sich absolut nichts. Ein Frösteln überlief sie. Nun war sie allein und schutzlos im Wald. Die Hitze eines plötzlichen Fieberschubes ließ die Kälte in ihren Gli e dern im Nu verschwinden. Gern hätte sie sich erneut an Lyon g e schmiegt, sich von seinen starken Armen forttragen lassen, vielleicht zu ihm nach Hause, in Sicherheit. Die Aussicht beschwingte sie und verblasste abrupt. Diese Lüster n heit wirkte so fehl am Platze wie ein Lachen auf einer Beerd i gung.
Vor Schreck über sich selbst hielt sie sich die Hände vor den Mund. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Würde dieses Chaos in ihr für immer bleiben? Ihre Sinne folgten leichtfertig ihrem Körper und der drehte völlig durch, kam sie in Lyons Nähe. Das war nicht mehr sie! Sie fühlte sich furchtbar. Ihr Leben wirbelte durcheinander wie in einem F5 Tornado. Sie hatte sich Antworten e r hofft, wollte ihre Unterlagen und Wertgegenstände aus dem Kloster holen und nach der Untersuchung von Yasti eine Weile untertauchen, bis alles abgeklu n gen und vorüber war. Doch stattdessen verwandelte sich die Erde zu einem I r renhaus, das von Aliens bevölkert wurde und sie saß mittendrin. Ihr wuchsen die
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