Lyon - A.M.O.R. 01
existierte er für sie einfach nicht? Was war schlimmer? Krebs zu haben oder zum aussterbenden, gejagten, blutgierigen Vampir zu mutieren?
Sie stapfte zu Yastis privatem Kühlschrank im Nebenraum. Nichts zum N a schen. Sie holte Brotscheiben, Ketchup und eine Blutw urst heraus. Black Pu d ding las sie auf der Verpackung, schnitt großzügige Scheiben ab und bastelte ein dickes Sandwich. Den Klassiker aus Großbritannien musste Yasti in einem Delikatess en laden gefunden haben.
Adina biss herzhaft hinein. Es durchfuhr sie wie die Berührung feuchter, warmer Lippen auf ihrem Nippel. Nur, das erotische Gefühl entstieg selts a merweise ihrem Mund. Heißhungrig verputzte Adina das Brot, ihr Atem ging zügig, ihr Puls hämmerte und sie leckte sich die Finger. Mann, war sie ausg e hungert. Sie fühlte sich wie ein wildes Tier, das sich soeben über die Beute hergemacht hatte. Das enthusiastische Verschlingen schickte regelrechte Hi t zewellen über ihre Haut …
Der Druck, da war er wieder! Sie stolperte ins Behandlungszimmer, den Ze i gefinger auf den Druckpunkt gelegt. Sie führte den Ultraschallkopf und hielt inne.
Da war nichts. Verdammt! Niedergeschlagen senkte sie die zuckenden Lider und erblickte auf einmal, wonach sie die ganze Zeit suchte. A m Aortenbogen, in die Arteria carotis communis mündend, sah sie das Echo eines golfballgr o ßen Muskels. Die Silhouette eines eiförmigen, schlagenden, ihr Blut pumpe n den Herzens – direkt über ihrem Herz.
Sie schlug die Augen auf. Die Hitze schwand, der Druck verringerte sich und die Vision verblasste. Adina schluckte hart. Es dauerte eine Weile, bis sie b e dächtig aufstand und mit dem Aufräumen begann. „Da hast du deinen B e weis.“
Lyon steuerte ein Internetcafé an und rief die Adressen der Adina Cyburns in New York auf. Er notierte sie im Geiste. Sie hielt sich möglicherweise nicht zu Hause auf, aber es war sein einziger Anhaltspunkt. Alle Wohnungen aufzus u chen, dauerte ihm dennoch zu lange. Ihm kam eine andere Idee und er sauste als Nebel die breite Auffahrt einer Notaufnahme hinauf, glitt an einem Pfleger vorbei durch die automatischen Glastüren eines Großkrankenhauses. Ein Blick auf die Informationstafel genügte, er verflüchtigte sich in die Lüftung s schächte, schleuderte wie in einer Bobbahn die Röhren aufwärts und nahm in einem pompösen Büro hinter einem Mann Gestalt an. Lyon legte dem wei ß haarigen Kittelträger die Hand in den verschwitzten Nacken, versetzte ihn in Trance, fuhr ihn mit dem Chefsessel beiseite und tippte auf der Tastatur he r um. So gut wie jedes Krankenhaus unterhielt eine Blutbank. Er hoffte, zumi n dest Direktoren besaßen Zugriff auf weitreichendere Daten.
Na bitte. Zwei Adina Cyburns, die regelmäßig Blutplasma spendeten. Adina schwamm in ihrer Lebenssituation sicher nicht in Geld. Zum Glück hatte er einen Artikel überflogen, der beschrieb, wie Jugendliche und Studenten sich heutzutage Taschengeld verdienten. Blut, Samen, Eizellen, Kinder, Schwi e germütter … sie verscherbelten scheinbar alles. Und auch, wenn es bei einer Blutspende vielleicht mal kein Bares gab, passte diese selbstlose und hilfsbere i te Art genau zu Adina. Er schob den zusammengesackten Professor Soundso vor den Eckschreibtisch und legte seine Stirn sachte aufs Mauspad.
Die erste Adresse war ein Reinfall, die zweite im Bezirk Harlem müsste also stimmen, die Wohnung schien bewohnt. Der Briefkasten mit Adinas N a me n war leer, das Apartment hell erleuchtet. Ob jemand bei ihr war? Ein bitterer Hauch Eifersucht breitete sich aus wie schleichendes Gift. Er riss sich zusa m men. Er wusste noch nicht einmal was ihn dort oben erwartete und schon drehte er durch. Es ging um weit mehr als um sein Ego oder seine G e fühle.
Er schwebte zum Balkon empor und warf einen Blick ins Wohnzimmer. Ein blaues Sofa mit gelben Kissen, davor ein Marmortisch, auf dem zwei Gläser mit O-Saft standen. Unechte Pflanzen zusammen mit den überall hängenden Naturbildern schufen eine heimische Atmosphäre. Lyon schluckte schwer, als er einen Mann in Adinas Alter den Raum betreten sah, der hinter einem Tr e sen in der Einbauküche werkelte.
Wie hatte er auch glauben können, jemand wie Adina lebte allein? Lyon bal l te enttäuscht die Fäuste wegen seiner unangebrachten Emotionen. Er sprang augenblicklich über seinen Schatten, ignorierte die schneidenden Splitter in seinem Herzen. Ihr Dasein hing an einem seidenen Faden, falls sie übe r haupt noch
Weitere Kostenlose Bücher