Lyon - A.M.O.R. 01
natürlich, blutrot. Sie knöpfte für den Anfang einen Perlmuttknopf der Seidenbluse mehr zu. Nur die Spitze des Dessous blitzte verführerisch hervor. Falls sie M o torrad fuhren, würde es an einer Stelle ziehen. Sie schmunzelte, glitt in die ein wenig zu engen bordeauxroten High Heels und hielt inne.
Was, wenn die Männer Kopfgeldjäger waren? Sie rieb sich den Nacken. Nein, kein Zwicken. Sie lauschte, vernahm ein munteres Gespräch zwischen drei gut gelaunten Personen. Adina atmete tief durch. Sie sah schon Vampire, wo keine waren. Sie zwang sich zur Gelassenheit und betrat das Wohnzimmer. Drei Augenpaare wandten sich ihr zu.
„Oh lala, Yasti. Ich müsste dir Handschellen verpassen und dich einsperren, weil du mir Adina so lange vorenthalten hast.“
Yasti verdrehte die Augen. „Michael ist Polizist, aber das hast du natürlich erraten.“
Ein hochgewachsener Mann mit dunkelbraunen kurzen Haaren, in Blu e jeans, hautengem Rollkragenpullover und heller Wildlederjacke kam lächelnd auf sie zu, hob ihre Hand und führte sie langsam einmal um ihren Oberkörper, sodass sie eine Pirouette drehte. „Eine absolute Augenweide. B e zaubernd. Ich bin so was von underdressed. Mannomann.“
Er stellte sich formvollendet vor, nahm den Blick nicht mehr von ihr. Seine Komplimente sickerten wie warmer, süßer Karamell durch ihre Adern.
Yastis Begleiter Tom schnappte sich die Weinflasche vom Tisch, hielt sie in die Runde und sah jedem in die Augen. Er hauchte mit gespielt grus e ligem Unterton: „Die Macht ist heute Abend mit uns. Lasst uns vier Verbündete lo s zi e hen und das Böse verdammen.“
Adina musste fast auflachen. Endlich einer, der ihre Probleme löste. Der Wein und die Gesellschaft verfehlten ihre Wirkung nicht. Er genehmigte sich einen tiefen Schluck und reichte die Flasche schmunzelnd an Michael. Adina lachte und Yasti kniff ihrem Nebenmann in den Hintern.
„Und Tom ist unverkennbar Liverollenspieler.“
Michaels Handfläche schmiegte sich plötzlich an Adinas Rücken, unterband eventuelle Fluchtversuche und führte den Flaschenhals sachte an ihren Mund. Ihre Blicke trafen sich. Hitze strömte durch ihre Adern. Er legte das Glas g e fühlvoll auf ihre Unterlippe und ließ einen winzigen Schluck auf ihre Zunge laufen. Sie schluckte. Er vollführte das Ganze mit solch einer Gela s senheit und Souveränität. Sie war sprachlos und überwältigt, vor allem von sich, als sie ihm mit den Fingern über die Brust fuhr, aufreizend an ihm aufsah und ihm mit dem Zeigefinger sanft über die Lippen strich. Von ihrer Courage erstaunt ging sie zu Yasti, nahm sie bei der Hand und verließ das Penthouse. Die Männer folgten auf dem Fuß.
Ein Taxi brachte sie zum Village Vanguard, dem berühmten keilförmigen Jazzclub in der 7th Avenue. Michael bezahlte den Eintritt und sie schoben sich hinter einen der vielen Tische auf die rote Lederbank. Eine Bedienung servie r te die Getränke. Die Stunden verrannen wie Minuten in einer Sanduhr. Sie u n terhielten sich über die Politik des Landes, über andere Menschen, über ihre Berufe und was sie dort erlebten und lachten über Toms komödiantische Nachahmungen diverser Schauspieler, sprachen einfach aus, was ihnen auf der Zunge lag. Von dem geziemten Gehabe einiger Ärzte hatte Adina sowieso restlos die Nase voll, wohl aus dem Grund hatte es wohl im vergangenen Jahr niemand bis zu ihr nach Hause oder gar in ihr Bett geschafft. Und heute? Sie dachte nicht groß nach, es war einer ihrer letzten Abende als Mensch. Es e r füllte sie mit Traurigkeit, sich so unendlich lange nicht losgelöst gefühlt zu h a ben, keine Ausflüge unternommen oder mit Freunden einen Spieleabend g e nossen zu haben. Sie befand sich in der Blüte ihres Lebens, auf dem Gipfel i h rer Schaffenskraft und nun sollte alles vorbei sein?
Adina kokettierte, flirtete, spülte die trüben Gedanken hinunter und verbarg sie unter einer dicken Schicht Selbstschutz. Sie labte sich an Michaels Au f merksamkeit, an seinen Komplimenten, weidete sich an seinen Fingern auf i h rem Arm, ihrem Rücken. Sie wusste, sie verdrängte das Unausweichliche und sie würde das, was sie tat, morgen bereuen, auch wenn es nur ein quälender Brummschädel sein sollte, dennoch fand sie die Stopptaste nicht, kam nicht ans rettende Ufer, wo sie sich hätte emporziehen können, um wieder festen Boden unter den Fü ß en zu haben. Zu sehr sehnte sie sich momentan nach ein wenig Nähe und danach, zu vergessen.
Unter normalen Umständen
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