Lyon - A.M.O.R. 01
„Ich dachte mir, ich fülle ihn gleich voll, ehe ich dreimal laufen muss. Nimm erst mal einen ordentlichen Schluck, genießen können wir das zweite oder dritte Glas.“
Adina schmunzelte, öffnete die Duschkabine, griff sich das Glas und gurge l te mit einem Schluck.
„Oh Gott, und das mit meiner besten Prädikatsauslese. Du bist echt erleic h tert, gesund zu sein, was?“
Sie lachten. „Dank dir. Das wird ein lustiger Abend.“
„Und ob. Ich hab noch ein wenig zu tun. Lass dir also Zeit, Maus.“
Yasti zog sich zurück und Adina hörte Musik durch die nur angelehnte Badtür hereinsäuseln. Sie gönnte sich mit einem Einmalrasierer eine Totalr a sur, danach eine Haarkur und lackierte ihre Fußnägel knallrot. Blutrot. Egal, wie viel Zeit ihr noch blieb, sie wollte sie auskosten. Sie cremte sich mit einer du f tenden Bodylotion ein und wickelte sich postmodern in einen königsblauen Sari, den Yasti bereitgelegt hatte.
„Ui, schicke Verwicklung“, begrüßte Yasti sie und grinste sie an. Sie stellte Dips zu den Chapati und dem englischen Weingummi auf den Wohnzimme r tisch.
„Oh, du bist ein Schatz.“ Am liebsten hätte Adina sie stürmisch umarmt, hielt sich aber noch so gerade zurück. Hatte sie dies überhaupt schon einmal herzlich getan? Es tat weh, alles zu verlieren. Wenn sie früher ihre Freun d schaft gepflegt hätte, vielleicht wäre … nein, es wäre ebenso zu dieser Wan d lung gekommen. Verfluchte Vampireltern. Sie musste sich ablenken, an Posit i ves denken, sonst fing sie noch an, zu heulen. „Seit wann stehst du auf Black Pudding?“
Yasti stutzte, dann begriff sie. „Ach so, du warst an meinem Kühlschrank in der Praxis. Ups. Nun, bei mir Zuhause in Indien gab’s logischerweise keine Blutwurst. Aus Schweineblut. Aber du kennst mich, ich lasse mich nicht in e i ne Schablone pressen. Ich bin frei, lasse mir nichts vorschreiben und glaube an ein Leben. Es könnte so schnell vorbei sein. Deshalb mache und probiere ich, was ich will.“
Adina hob ihr Glas. Das Wort Blut hallte in ihrem Kopf nach wie eine M e lodie aus Kindertagen. Es brachte sie fast zum Lachen. „Hey, bleib so, lass dich nie verbiegen. Mach immer, wonach dir ist. Das finde ich toll. Darauf trinken wir.“
„Dann hau rein. In einer Stunde sind die Männer da.“
„Männer?“
„Du weißt schon, die mit dem Rüssel zwischen den Beinen.“
„Du hast nichts gesagt von …“
„Maus, du vereinsamst mir noch. Damals, mit Emanuel, da hast du gelebt, warst zu allem aufgelegt, hattest Spaß. Seit einem Jahr verkriechst du dich in deinem Schneckenhaus und seit Kurzem mache ich mir echt Sorgen.“
Adina hob schnell ihr Glas zum Toast. „Ich gelobe Besserung. Ab sofort. Versprochen.“
Drei dünne Fladenbrote mit Dip, unzählige Weingummis und einige Kelche Rotwein später klingelte es an der Haustür. Adina fuhr zusammen. „Ach du Schreck, schon?“
Yasti sprang auf. Sie trug bereits scharfe Ausgehklamotten. „Such dir bei mir im Schrank was aus. Beeil dich, sonst nehme ich beide.“
Adina schloss die Schlafzimmertür und öffnete die Kleiderschränke. Eine unglaubliche Vielfalt an Kleidungsstücken in allen möglichen Farbkombinati o nen überwältigte sie. Reiche Eltern zu haben brachte allerhand Vorteile mit sich. Sie rieb sich über ihr Handgelenk, vermisste schmerzlich ihr goldenes Kettchen mit dem Anhänger.
„Nein, nicht heute.“ Sie verdrängte das Thema Eltern, leerte ihr Rotweinglas und stöberte in den Reihen mit bezaubernder Wäsche. Ein Jahr lang war sie nicht einmal weggegangen. Eine Vorfreude erfasste sie, eine gewisse Erregung, nicht zu wissen, mit wem sie verabredet war, aber dafür genau, dass ihr völlig egal sein konnte, was sie tat.
Sie rollte halterlose Spitzenstrümpfe auf und schlüpfte hinein. Sie glänzten seidig und fühlten sich prickelnd an. Ein schwarzer Lederminirock passte gut zu einer darüber hängenden weißen Bluse mit Stehkragen. Fehlte nur noch … Sie angelte einen roten Push-up-BH heraus und zwängte ihre Brüste in die spitzenbesetzten Körbchen. Die prallen Bälle, die sich ihr im Spiegel entgegenwölbten, verstärkten ihre Lust, sich endlich den Männern zu präse n tieren. Hoffentlich waren es auch, wie von Yasti versprochen, richtige Männer, keine ewigen Studenten mit fettigen Haaren oder alternde Professoren, die Abwechslung zu ihrer eintönigen Ehe suchten. Ordentlich Wimperntusche, sechs Spritzer Parfüm, viele vergaßen die Füße, und Lippenstift, rot
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