Lyon - A.M.O.R. 01
schen Puls witterte. Sie war wohlauf und ganz in der Nähe. Völlig außer sich vor Freude, weil sie lebte, weil er sie gefunden hatte, weil er sie ab nun b e schützen, ihr sein Blut anbieten konnte, sprang er auf einen Mauervorsprung und spähte in das lichtgedämpfte Schlafzimmer, aus dem intensiv ihr Erdbee r duft drang.
Seine Augen erfassten, was er längst hätte spüren und begreifen müssen. Seine Gefühle entglitten ihm. Adina lag mit Emanuel im Bett.
„Lyon …!“, kreischte Tropical plötzlich.
Der Stich ins Herz traf ihn so unvorbereitet wie die Klinge, die sich über seinen Nacken zog, Fleisch, Sehnen und seine Emotionen durchtrennte. Seine Füße verloren den Halt, er fiel durch einen Strauch in ein Meer aus Blumen. Etwas bohrte sich tief in seine Brust, Kälte breitete sich aus wie klirrender Frost. Seine Sicht trübte sich.
„Nein!“ Er versuchte, die Hand auszustrecken. „Nein …“
Ihrem Hochgefühl folgend richtete Adina sich auf, sich endlich darüber im Klaren – ihr Herz hatte sich längst entschieden. Für Lyon. Ihre Seele hatte ein passendes Gegenstück gefunden, das sie nicht zurückweisen durfte, sondern darum kämpfen musste. Ein honigsüßes Sehnen durchströmte sie, schmiegte sich an ihren Geist, als hieße er ihre Entscheidung willkommen. Glückseligkeit breitete sich aus, zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht, das sie wahrlich spürte.
Wie von einer schweren Last befreit, atmete sie durch und blinzelte, um im Hier und Jetzt zu landen, ihren akuten Problemen entgegenzutreten und sie aus dem Weg zu räumen.
Eines ihrer Probleme stand kurz davor, den Verstand an seine Lust zu ve r lieren. Ihre einzige richtige Liebesbeziehung war mit Emanuel gewesen, dessen Zurückhaltung wohl über den Jordan gespült worden war. Adina machte sich nichts vor, sie allein war schuld an der Situation.
Emanuel hatte ihr vor einem Jahr unmissverständlich erklärt, er könnte es sich nicht erlauben und hatte es ebenso nicht vor, das Dureza aufzugeben, aus der Stadt zu ziehen, zu heiraten, Kinder zu bekommen. Sein Hotel war sein Leben. Er hatte sich vor langer Zeit dazu entschieden, auch wenn sie immer gedacht hatte, er würde alles für sie tun. Dass er einen Schlussst r ich gezogen hatte, war gut so, gestand sie sich ein. Ihre Zuneigung und ihr Herz gehörten Lyon. Ihr Lebensweg zeichnete sich klar und deutlich ab. En d lich.
Doch so einfach gestaltete es sich wahrlich nicht. Wandelte sie sich zum Vampir, verlor sie Emanuel, Yasti und Laughlin, ihre Perspektive als Medizin e rin, ihre geplante Zukunft, ihren Halt, ihr bisheriges Leben. Das wollte sie nicht. Aber sie wusste, ihr Dasein als Amorphin hatte längst begonnen und Lyon ging ihr nicht aus dem Sinn. Sein Duft hatte sich seit geraumer Zeit durch ihre Nase in ihr Herz geschlichen, seine Worte in ihren Geist, seine Li e be in ihre Seele.
„Emanuel.“ Sie strich ihm über die kurzen Haare. Er blickte auf. „Wir mü s sen aufhören.“ Seine dunklen Wimpern zuckten, er schluckte. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. Blässe zog sich über sein Antlitz. In dem Licht sah er bein a he krank aus. „Ich dachte, du hast dich entschieden?“
Wie in Zeitlupe entfernten sich seine Finger von ihren Schenkeln, zog er den Rock hinunter und stand auf. Er schien zu schwanken, räusperte sich, straffte sein Hemd. „Jemand anderes hat für mich entschieden.“ Seine Stimme klang endgültig, als würden sie sich nie wiedersehen.
Das leise Schließen der Tür hallte in ihrem Kopf nach wie der Laut einer fa l lenden Guillotine, wie die apodiktische Melodie ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘.
Adina lag da wie eingefroren. Jegliche Kraft wich, kein Druck, keine Stimulanz, nur Traurigkeit, Leere und ein Gedanke: ja, für mich auch.
Es dauerte, bis sie sich regte, ihr Herz wieder pochte, Blut und Überlegu n gen flossen. Sie drückte sich ein Kissen aufs Gesicht, biss hinein. Selten war i h re Sicht so klar wie in diesem Moment. Keine Geräusche, keine Emotionen. Sie sollte Lyon suchen und sich ihrem Schicksal stellen. Ohne zu wissen, was auf sie zukam, durfte sie nicht davon ausgehen, alles hinter sich lassen zu mü s sen. Schließlich bewegte sich Lyon ebenfalls unter Menschen. Und letztendlich fühlte sie, dass er sich ebenfalls in sie verliebt hatte . Eine diffuse Hoffnung schlich sich hinzu, sie wären in der Lage, sämtliche Unwegsamkeiten gemei n sam zu überwinden, um lächelnd die Zukunft zu beschreiten.
Ein unerwarteter Aussetzer
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