Lyon - A.M.O.R. 01
sich nur einmal in Ruhe umsehen? Sind Sie zum ersten Mal bei uns?“
„Mich bekommen selten Menschen zu Gesicht.“
„Darf ich Sie herumführen?“
Chantal schnurrte wie ein Kätzchen. Fast hätte er geseufzt, weil seine Wi r kung immer dieselbe war. Es gab nur einen einzigen Grund, weshalb er hier auftauchte. „Ist Mr. Dureza zugegen?“
Sie lächelte charmant. „Tut mir sehr leid. Mr. Dureza ist im Moment sehr beschäftigt.“
Schon klar. Lyon nickte, überlegte, wie er Chantal unauffällig aus der Lobby lotsen konnte. Auf einem Prospekt auf dem Marmortresen las er die hervorg e hobenen Zeilen. Das Dureza unterhielt über fünfzig Zimmer, deren Mobiliar und Aufmachung in jedem unterschiedlich sein sollte. Aber es gab der Br o schüre zufolge keinerlei Fotografien von den Wohnräumen. Sie boten einen persönlichen Rundgang, bei dem die belegten Gemächer in einem Showroom dem Interessierten visuell vorgestellt wurden. Sicher hatte jede Räumlichkeit einen stolzen Preis.
„Ich wünsche eine ausführliche Begehung, bevor ich mich entscheide.“
Chantal führte ihn durch einen mosaikbestückten Flur, der eher einem K a leidoskop glich, in einen weitläufigen Barbereich, in dem extravagant wirkende Leute saßen und sich scheinbar gut amüsierten. Der Stil faszinierte ihn, eri n nerte ihn an das Mittelalter, an bessere Zeiten. Holz und die Farbe Schwarz dominierten, Rot und Gold dienten als Blickfang. Die Bar hob sich rustikal von dicken Stützbalken durchzogen ab, gedämpftes Rotlicht beschien unzähl i ge Flaschen, die erneut seine Sehnsucht nach hochprozentigem Vergessen schürten. Neben einem brennenden Kaminfeuer thronten zwei ausladende Ledersessel, wie sie damals in seinem Schloss gestanden hatten. Ein decke n hoher Spiegel mit Goldrahmen spiegelte das Flackern der Kerzen wider, die den Saal beherrschten. Als er den barocken Springbrunnen beim Verlassen des Barbereichs erblickte, zog sich sein Herz schmerzlich zusammen. Die Erinn e rung an die Begegnung ihrer Seelen, an die Verschmelzung ihrer Ionen, z u mindest im Geiste, raubte ihm das letzte bisschen Beherrschung, das er aufg e bracht hatte, um sich unauffällig zu benehmen und keinen Schaden anzuric h ten. Er musste Adina lebend finden. Sofort! Wenn er sich doch intensiver auf seine Sinne konzentrieren könnte, sie intensiver nutzen könnte, aber sie schi e nen nicht mit erwacht zu sein aus dem Tiefschlaf. So sehr er sich auch bemü h te, da war irgendwie eine mentale Blockade.
Lyon stieg zu Chantal in einen Fahrstuhl und sie betätigte einen Knopf, wä h rend sie ihn anlächelte. In seiner Manteltasche vibrierte es und er benötigte e i ne Sekunde, um das Mobiltelefon zu greifen, das Bash ihm im Labor mitgeg e ben hatte.
„Ja?“
„Ich kann meine Agentin nicht erreichen.“
Bashs militärisch kurz angebundene Art versetzte ihn sofort in Alarmberei t schaft. Der Feind hatte Adinas Schatten ausgeschaltet. Er klappte das Handy zu.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich, ihm kam zum Glück kein Gast in die Qu e re. Er packte Chantal im Genick. Ihr lächerlicher Versuch, sich zu wehren, e r lahmte schnell. Er stieß die Tür zu dem ersten unbesetzten Zimmer auf und legte die willenlose Chantal bäuchlings auf einen azurfarbenen Teppich. Der Boden bestand aus Glas, darunter schimmerten Eiswürfel in einem gedämp f ten Blau wie zahllose Saphire. Das sandfarbene Bett glich einer Insel mitten im Ozean. Dezenter Salzgeruch hing in der Luft. Lyon sah sich nicht um, de n noch fühlte er sich auf der Stelle ans Meer versetzt. Seine Rechte ruhte in i h rem Nacken. „Wo ist Emanuel Dureza?“
Während sie gefügig antwortete, verwandelte er sich bereits in Nebel und glitt hinab in das Souterrain – zu den Privatgemächern des Hotelbesitzers. Die aufdringlichen, komprimierten Geräusche und Gerüche von Liebenden, Tri n kenden und Trainierenden verwirrten seine Intuition, bis er sie allesamt geor d net hatte. Er schwebte an der Decke eines Abenteuer-Schwimmbades und fand endlich, wonach er eigentlich suchte. Erdbeerduft!
Es war falsch, falsch, falsch. Und doch begehrte sie momentan genau das. Li e be, Zuneigung, Geborgenheit, Sicherheit, Nähe – alles schenkte Emanuel ihr. Sie lächelte über seine Aufmunterungsversuche, genoss seine Hand auf der Wange, seinen harten Körper, an den sie sich Halt suchend schmiegte.
Jedes Mal, wenn sie sein Zögern bemerkte, ermutigte sie ihn mit einem L ä cheln. Es war falsch und blieb falsch, so falsch, sie
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