Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Prinzessin Suldrun, welche nun tot ist von eigener Hand.«
»Prinzessin Madouc? Ein Mädchen?«
»Ja, und sie soll ein merkwürdiges kleines Wesen sein.« Byssante trank seinen Krug leer. »Ihr habt Glück, daß Ihr den königlichen Prunk einmal aus so nächster Nähe sehen könnt! So, und nun gehe ich mich aufs Ohr legen.«
Aillas ging in seine Kammer. Er setzte sich auf den Stuhl, packte Persilian aus und stellte ihn auf den Nachttisch. Der Spiegel, wieder in einer seiner neckischen Launen, reflektierte die Wand zuerst auf den Kopf gestellt, dann seitenverkehrt, dann zeigte er plötzlich ein Fenster, das auf den Stallhof hinausging, und schließlich König Casmir, wie er mit unheilvollem Blick zum Fenster hereinschaut.
Aillas sagte: »Persilian.«
»Ich bin hier.«
Aillas formulierte mit großer Vorsicht, sorgfältig darauf bedacht, nicht versehentlich eine beiläufige Bemerkung in die Form einer Frage zu kleiden. »Ich darf dir drei Fragen stellen, dann keine mehr.«
»Du darfst eine vierte Frage stellen. Ich werde sie beantworten, doch dann werde ich frei sein. Eine Frage hast du bereits gestellt.«
Behutsam sprach Aillas: »Ich will meinen Sohn Dhrun finden, ihn in meine Obhut nehmen und dann schnell und sicher mit ihm nach Troicinet zurückkehren. Sag mir, wie ich das am besten bewerkstellige.«
»Du mußt dein Begehren in eine Frage kleiden.«
»Wie muß ich vorgehen, will ich das Beschriebene in die Tat umsetzen?«
»Das sind aber im ganzen drei Fragen.«
»Nun gut«, sagte Aillas. »Dann sag mir, wie ich meinen Sohn finden kann.«
»Frag Ehirme.«
»Ist das alles?« schrie Aillas. »Zwei Worte und mehr nicht?«
»Die Antwort ist angemessen«, erwiderte Persilian und wollte nichts mehr sagen. Aillas wickelte den Spiegel in ein Tuch und schob ihn unter das Strohbett.
Es war nun später Nachmittag. Aillas schlenderte über den Chale und dachte über das nach, was er erfahren hatte. Im Laden eines maurischen Goldschmieds bot er ein Paar von Suldruns Smaragden zum Verkauf, jeder von der Größe einer Erbse.
Der Mohr prüfte die Steine mit Hilfe eines Vergrößerungsglases von neuer und unbekannter Art. Als er seine Examinierung beendet hatte, sprach er in bemüht gleichgültigem Ton: »Die Steine sind ausgezeichnet. Ich zahle Euch für jeden hundert Silberdukaten – annähernd die Hälfte ihres Wertes. Das ist mein erstes, letztes und einziges Angebot.«
»Abgemacht«, sagte Aillas. Der Mohr zählte Gold-und Silbermünzen auf den Tisch, die Aillas in seine Tasche strich. Dann verließ er den Laden.
Bei Sonnenuntergang kehrte Aillas in die Vier Malven zurück, wo er Bratfisch, Brot und Wein zu Abend aß. Er schlief tief und fest, und als er erwachte, schien das Verlies nur mehr ein böser Traum aus der Vergangenheit. Er frühstückte, bezahlte seine Zeche, warf sich das Bündel, das Persilian enthielt, über die Schulter und wanderte über die Küstenstraße nach Süden.
Über einen Pfad, der ihm wie eine Erinnerung aus einem früheren Dasein vorkam, marschierte er zu dem Gehöft, wo Ehirme wohnte. Wie einst blieb er vor der Hecke stehen und nahm die Umgebung aufmerksam in Augenschein. Wie einst waren Männer und Burschen damit beschäftigt, Heu zu machen. Im Küchengarten humpelte ein stämmiges altes Weib zwischen den Kohlköpfen umher und jätete Unkraut mit einer Hacke. Während Aillas sie noch beobachtete, kamen drei kleine Schweine aus dem Stall gehoppelt und trabten munter in das Rübenbeet. Die Alte stieß einen seltsam trillernden Schrei aus, und sofort kam ein kleines Mädchen aus dem Haus gelaufen und jagte die Schweine fort, die überallhin schossen, nur nicht zurück in den Stall.
Das Mädchen rannte heftig atmend am Tor vorbei. Aillas trat ihm entgegen. »Würdest du Ehirme sagen, daß jemand am Tor steht, der sie zu sprechen wünscht?«
Das Mädchen musterte ihn feindselig und mißtrauisch von oben bis unten. Sie rief die Alte, dann rannte sie weiter hinter den Schweinen her, unterstützt jetzt von einem kleinen schwarzen Hund.
Die alte Frau humpelte ans Tor. Ein Kopftuch, das sie tief in die Stirn gezogen hatte, verbarg ihre Züge.
Aillas starrte sie bestürzt an. Diese krumme alte Vettel, war das etwa Ehirme? Sie kam näher. Erst ein Schritt mit dem rechten Bein, dann eine ruckartige, schlingernde Bewegung der Hüfte, um dem steifen linken Bein Schwung zum Nachsetzen zu verleihen. Sie blieb stehen. Ihr Gesicht zeigte sonderbare Entstellungen und Falten, die Augen waren
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