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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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tief in ihre Höhlen gesunken.
    »Ehirme!« stammelte Aillas. »Was ist Euch widerfahren?«
    Ehirme öffnete den Mund und stieß eine Reihe trillernder Laute aus, für Aillas nicht verständlich. Sie machte eine Gebärde der Enttäuschung und rief das Mädchen, das sogleich kam und sich neben sie stellte. Das Mädchen sagte zu Aillas: »König Casmir ließ ihr die Zunge herausschneiden und sie am ganzen Leibe schinden.«
    Jetzt sprach Ehirme. Das Mädchen lauschte aufmerksam, dann übersetzte es Aillas. »Sie möchte wissen, wie es Euch ergangen ist.«
    »Sie warfen mich in einen unterirdischen Kerker. Ich entkam, und nun will ich meinen Sohn finden.«
    Wieder sprach Ehirme. Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Was hat sie gesagt?« fragte Aillas.
    »Etwas über König Casmir.«
    »Ehirme, wo ist mein Sohn Dhrun?«
    Es folgten mehrere Sätze in dem Aillas unverständlichen gutturalen Trillern. Das Mädchen übersetzte: »Sie weiß nicht, was geschehen ist. Sie schickte den Säugling zu ihrer Mutter, draußen im großen Wald. Casmir sandte seine Schergen aus, ihn zu holen, doch sie kamen mit einem Mädchen zurück. Der Knabe muß daher noch immer dort sein.«
    »Und wie kann ich diesen Ort finden?«
    »Geht die Alte Straße hinauf, und dann haltet Euch nach Osten, in Richtung Klein-Saffeld. Dort angekommen, nehmt den Nebenpfad Richtung Norden nach Tawn Timble, und von dort aus geht weiter zum Dorf Glymwode. Daselbst müßt Ihr nach Graithe, dem Holzfäller, und Wynes, seinem Weibe, fragen.«
    Aillas schaute in seinen Beutel und zog ein Halsband aus rosafarbenen Perlen hervor. Er überreichte es Ehirme, die es ohne Überschwang entgegennahm. »Es war Suldruns Halskette. Sobald ich wieder in Troicinet bin, werde ich nach Euch schicken, und Ihr werdet die restlichen Jahre Eures Lebens in Behaglichkeit und so viel Zufriedenheit wie nur irgend erdenklich verbringen.«
    Ehirme stieß einen leisen, quäkenden Laut aus.
    »Sie sagt, daß es freundlich von Euch ist, ihr dieses Angebot zu machen, aber sie weiß nicht, ob die Männer ihr Land gerne verlassen würden.«
    »Über diese Dinge werden wir später reden. Hier bin ich nur der Vagabund Aillas, und ich habe nichts zu geben denn meine Dankbarkeit.«
    »So ist es.«
     
    Spät am Tage erreichte Aillas Klein-Saffeld, einen Marktflecken am Timble-Fluß, dessen Häuser allesamt aus ockergrauem Stein gebaut waren. In der Mitte des Ortes fand Aillas den Gasthof zum Schwarzen Ochsen, wo er sich für die Nacht einmietete.
    Am nächsten Morgen folgte er der Straße, die entlang dem Timble-Fluß verlief, nach Norden, im Schatten der Pappeln, die das Flußufer säumten. Krähen kreisten über den Feldern und kündeten jedem von ferne sein Nahen.
    Das Sonnenlicht drang durch den Frühdunst und wärmte sein Gesicht. Langsam begann er schon die gespenstische Blässe aus der Zeit seiner Gefangenschaft zu verlieren. Während er so wanderte, ging ihm ein merkwürdiger Gedanke durch den Sinn: »Eines Tages muß ich zurückkehren und meine zwölf guten Freunde besuchen ...« Er stieß ein grimmiges Grunzen aus. Was für ein Gedanke! Zurückkehren in jenes dunkle Loch? Niemals ... Er sann nach. Heute würde Zerling den Korb mit seinen Rationen herunterlassen. Das Brot und das Wasser würden unangetastet im Korb bleiben, und Zerling würde den armen Wicht in dem unterirdischen Gefängnis tot wähnen. Möglicherweise würde er darüber König Casmir Meldung erstatten. Wie würde der König auf die Nachricht reagieren? Ein gleichgültiges Achselzukken? Ein leiser Anflug von Neugier, war der Tote doch immerhin der Vater des Kindes seiner Tochter? Aillas verzog den Mund zu einem dünnen, harten Lächeln und vertrieb sich eine Weile die Zeit mit allerlei Spekulationen über die Zukunft.
    Am nördlichen Horizont endete die Landschaft in einem verschwommenen dunklen Streifen – dem Wald von Tantrevalles. Je näher Aillas dem Walde kam, desto mehr schien das Land sich zu verändern. Die Farben schienen kraftvoller und düsterer; die Schatten wurden härter und nahmen eigene seltsame Farben an. Der Timble-Fluß wanderte im Schatten von Weiden und Pappeln in majestätisch geschwungenen Windungen dahin. Die Straße bog von seinem Ufer ab und stieß auf die Stadt Tawn Timble.
    Im Gasthaus aß Aillas ein Bohnengericht und trank einen irdenen Maßkrug Bier.
    Der Weg nach Glymwode führte über die Wiesen. Immer näher kam der düstere Wald. Schließlich verlief der Pfad hart am Waldrand entlang; manchmal

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