Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
eines vorbeieilenden Passanten entnahm, Byssante. Er bedurfte keiner langen Ermunterung, um Aillas bereitwillig mit Informationen aller Art zu versorgen. Er kam auch auf den Krieg zu sprechen, und Aillas erfuhr, daß im großen und ganzen alles noch so wie vorher war. Die Troicer blockierten nach wie vor die Häfen Lyonesses. Eine Flotte troicischer Kriegsschiffe hatte einen bemerkenswerten Sieg über die Ska errungen und damit den Lir wirksam gegen ihre Raubzüge abgeschottet.
Aillas machte nur dann und wann Einwürfe wie »Genau!« und »Potzblitz!« und »Ja, so etwas kann passieren!« Mehr brauchte er gar nicht, um den Mann am Plaudern zu halten, besonders, als er mehr Bier auftragen ließ und Byssante die zweite Luft bekam.
»Ich befürchte, was Casmir für Lyonesse plant, ist zum Scheitern verurteilt, obwohl ich im Nu in Ketten läge, wenn Casmir meine Meinung hörte. Dabei kann die Lage sich sogar noch verschlimmern, je nachdem, wie die Erbfolge in Troicinet verläuft.«
»Das müßt Ihr mir erklären.«
»Nun, König Granice ist alt und grimmig, aber er kann nicht ewig leben. Sollte Granice heute sterben, dann geht die Krone an Ospero, der alles andere als wild und grausam ist. Wenn Ospero stirbt, empfängt Prinz Trewan die Krone, da Osperos Sohn auf See verschollen ist. Stirbt Ospero aber vor Granice, dann erhält Trewan die Krone direkt. Trewan gilt als feuerspeiender Krieger. Lyonesse muß mit dem Schlimmsten rechnen. Wäre ich König Casmir, ich würde um einen Frieden zu den bestmöglichen zur Zeit erreichbaren Bedingungen buhlen und meine großen Pläne beiseite legen.«
»Das wäre vielleicht die beste Lösung«, pflichtete Aillas ihm bei. »Aber was ist mit Prinz Arbamet? War nicht er der erste Anwärter auf Granices Thron?«
»Arbamet erlag den Verletzungen, die er sich vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Sturz vom Pferd zuzog. Aber letztendlich ist es egal. Der eine ist so wild wie der andere, so daß selbst die Ska in ihrem Grimm nicht an sie heranreichen. Ah, meine Kehle! Soviel Reden macht einem den Hals trocken. Wie wär's Bursche? Könnt Ihr einem alten Pensionär nicht einen Krug Bier ausgeben?«
Ohne Begeisterung rief Aillas den Kellner. »Einen Krug Bier für diesen Herrn! Für mich nichts mehr.«
Während Byssante weiterschnatterte, brütete Aillas über das nach, was er gehört hatte. Prinz Arbamet, Trewans Vater, war noch am Leben gewesen, als er von Domreis aus an Bord der
Smaadra
in See gestochen war. Die Linie der Erbfolge war klar und direkt gewesen: von Granice auf Arbamet und von Arbamet auf Trewan, und danach auf Trewans männliche Nachkommen. In Ys hatte Trewan die troicische Kogge besucht, und offenbar hatte er dort von seines Vaters Tod erfahren. Durch dieses Ereignis hatte die Erbfolgelinie eine aus seiner Sicht schmerzliche Veränderung erfahren: Granice auf Ospero, Ospero auf Aillas – wodurch er, Trewan, plötzlich auf eine tote Seitenlinie geraten war. Kein Wunder, daß Trewan in düsterer Stimmung von der troicischen Kogge zurückgekehrt war! Und nun war es auch kein Geheimnis mehr, warum Aillas aus dem Weg geräumt werden mußte!
Seine rasche Rückkehr nach Troicinet war jetzt oberstes Gebot – aber was wurde dann aus Dhrun, seinem Sohn?
Fast wie in Beantwortung seiner Frage stieß ihn Byssante mit seinem rosigen Knöchel. »Seht einmal, dort! Das herrschaftliche Haus von Lyonesse begibt sich auf eine nachmittägliche Lustfahrt!«
Angeführt von zwei berittenen Herolden und gefolgt von zwölf Soldaten in Paradeuniform, rollte eine prachtvolle, von sechs weißen Einhörnern gezogene Kutsche den Sfer Arct hinunter. Auf dem Rücksitz saßen, das Gesicht nach vorn, König Casmir und Prinz Cassander, ein schlanker, großäugiger Junge von vierzehn Jahren. Ihnen gegenüber auf dem Vordersitz saßen Königin Sollace, gekleidet in ein Gewand aus grüner Seide, und Fareult, die Herzogin von Relsimore. Letztere hielt auf ihrem Schoß – oder, korrekter gesagt, versuchte, auf ihrem Schoß zu bändigen – ein braunhaariges Kind in einem weißen Kleid. Das Kind wollte ständig auf die Lehne des Sitzes klettern, ungeachtet der Ermahnungen Lady Fareults und der finsteren Blicke Casmirs. Königin Sollace wandte schlicht den Blick ab.
»Da habt Ihr die königliche Familie«, sagte Byssante mit einer nachsichtigen Handbewegung. »König Casmir, Prinz Cassander, Königin Sollace und eine Lady, die ich nicht kenne. Neben ihr steht die Prinzessin Madouc, die Tochter der
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