Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
melden.«
»Sprich, das ist mein Gewerbe.«
»Am Kreuzweg trafen wir einen gewissen Nahabod, auch Nab, der Schmale, genannt, der darauf wartete, daß die Kadaver herunterfielen, auf daß er ihre Kleider in seinen Besitz nehmen könne. Wir unterhielten uns ein wenig und gingen dann unseres Weges. Kaum eine halbe Meile weiter sprang ein Räuber aus dem Unterholz und nahm uns all unsere Habe ab.«
Numinante sprach: »Mein liebes Mädchen, da seid ihr von dem berühmten Janton Halsabschneider persönlich beraubt worden. Erst letzte Woche hängte ich seine sechs Gefolgsmänner auf. Er war im Begriff, ihnen die Schuhe für seine Sammlung abzunehmen; aus Kleidern macht er sich nichts.«
»Aber er erzählte uns von Tonker, dem Zimmermann, Bosco, dem Küchenmeister, den zwei Räubern Pirriclaw und ... den Namen des anderen habe ich vergessen.«
»Möglich. Sie durchstreiften das Land mit Janton wie ein Rudel wilder Hunde. Aber Janton hat vor, diese Gegend zu verlassen und sein Gewerbe anderswo auszuüben. Eines Tages werde ich auch ihn aufhängen, aber – wir müssen solche Vergnügen nehmen, wie sie kommen.«
»Könnt Ihr denn nicht nach ihm suchen lassen?« fragte Dhrun. »Er stahl mir mein Amulett und unseren Geldbeutel.«
»Gewiß könnte ich nach ihm suchen lassen«, räumte Numinante ein. »Aber was würde das nützen? Er hat überall seine Schlupfwinkel. Alles, was ich im Augenblick tun kann, ist, euch auf des Königs Kosten eine Mahlzeit zu spendieren. Enric! Eine Mahlzeit für diese Kinder, aber vom Besten! Eines von jenen fetten Hähnchen vom Spieß, eine dicke Scheibe Rinderbraten, eine ordentliche Portion Mehlpudding und dazu einen Krug Apfelmost zum Hinunterspülen.«
»Sofort, Herr Numinante.«
»Da ist noch etwas, Herr«, sagte Glyneth. »Wie Ihr sehen könnt, wurde Dhrun von den Waldelfen geblendet. Man gab uns den Rat, einen Magier zu suchen, der den Zauber wieder aufheben kann. Wüßtet Ihr jemanden, der uns helfen könnte?« Numinante nahm einen tiefen Schluck aus seinem Humpen. Nacheiniger Überlegung sagte er: »Ich weiß von solchen Personen, doch nur vom Hörensagen. In diesem Fall kann ich euch nicht helfen, da ich selbst kein Magier bin, und nur Magier kennen andere Magier.«
»Janton empfahl uns, den Jahrmarkt in Haselholz aufzusuchen und unsere Nachforschungen dort weiterzutreiben.«
»Das scheint mir ein vernünftiger Rat – falls er ihn euch nicht mit dem Hintergedanken gab, euch unterwegs aufzulauern und euch ein zweites Mal auszurauben. Ah, ich sehe, daß Enric euch ein gutes Essen aufgetischt hat. Langt nur tüchtig zu.«
Mit hängenden Schultern folgten Dhrun und Glyneth Enric zu dem Tisch, den er gedeckt hatte. Doch obwohl er von seinem Besten aufgetragen hatte, mangelte es den Speisen an Würze und Geschmack. Ein dutzendmal öffnete Glyneth den Mund, um Dhrun zu sagen, daß er bloß einen gewöhnlichen Kieselstein verloren hatte und sein Elfenstein in tausend Stücke zersprungen war, doch jedesmal schloß sie den Mund wieder, weil sie sich schämte zuzugeben, daß sie ihn getäuscht hatte. Enric zeigte ihnen den Weg nach Haselholz. »Er führt fünfzehn Meilen über Berg und Tal, dann durch das Gehölz von Wheary, dann durch die Lanklande, dann geht's hinauf über die Fernen Hügel, und dann folgt ihr dem Sham-Fluß bis nach Haselholz. Ihr werdet gut vier Tage unterwegs sein. Ich nehme an, ihr tragt keine großen Summen Geldes bei euch?«
»Wir haben zwei Goldkronen, Herr.«
»Laßt mich eine davon in Dukaten und Heller umwechseln, und ihr kommt besser zurecht.«
Mit acht Silberdukaten und zwanzig Kupferhellern, die in einem kleinen Stoffbeutel klimperten, und mit einer Goldkrone in Dhruns Hosenbund machten sich die beiden auf den Weg nach Haselholz.
Vier Tage später trafen Glyneth und Dhrun hungrig und mit wundgelaufenen Füßen in Haselholz ein. Die Wanderung war ohne Zwischenfälle verlaufen, bis auf eine Episode, die sich eines späten Nachmittags in der Nähe des Dorfes Maude begeben hatte. Eine knappe halbe Meile vor der Ortschaft hatten sie plötzlich ein Stöhnen aus dem Graben am Wegesrand gehört. Als sie zu der Stelle rannten, fanden sie einen verkrüppelten alten Mann, der vom Weg abgekommen und in ein Klettengestrüpp gefallen war.
Unter großer Anstrengung schleppten Dhrun und Glyneth ihn auf die Straße zurück und stützten ihn bis ins Dorf, wo er auf einer Bank zusammenbrach. »Dank euch, ihr Lieben, vielen Dank«, sagte er. »Wenn ich denn nun
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