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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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sterben muß, dann besser hier als im Straßengraben.«
    »Aber weshalb solltet Ihr sterben?« fragte Glyneth. »Ich habe Leute überleben sehen, die in viel schlimmerem Zustand waren als Ihr.«
    »Vielleicht, aber sie waren umgeben von Menschen, die sie liebten, oder konnten arbeiten. Ich habe nicht einen Heller, und niemand wird mich anstellen. Also werde ich sterben.«
    Glyneth nahm Dhrun beiseite. »Wir können ihn nicht hier im Stich lassen.«
    Dhrun erwiderte mit hohler Stimme: »Aber mitnehmen können wir ihn auch nicht.«
    »Ich weiß. Aber noch weniger könnte ich fortgehen und ihn in seiner Verzweiflung hier sitzenlassen.«
    »Was willst du tun?«
    »Ich weiß, daß wir nicht jedem helfen können, dem wir begegnen, aber in diesem besonderen Fall können wir eine Ausnahme machen.«
    »Die Goldkrone?«
    »Ja.«
    Wortlos nestelte Dhrun die Münze aus seinem Hosenbund und reichte sie Glyneth. Sie brachte sie dem alten Mann. »Das ist alles, was wir uns abzwacken können, aber es wird Euch für eine Weile über die
    Not helfen.«
    »Meinen Segen euch beiden!«
    Dhrun und Glyneth gingen weiter zum Gasthof, wo sie entdecken mußten, daß alle Kammern belegt waren. »Der Dachboden über dem Stall ist voll mit frischem Heu. Ihr könnt dort für einen Heller übernachten. Und wenn ihr mir eine Stunde in der Küche helfen wollt, trage ich euch ein Abendessen auf.«
    In der Küche enthülste Dhrun Erbsen, und Glyneth scheuerte Töpfe – so eifrig, daß der Wirt zu ihr gelaufen kam. »Genug, genug! Ich kann mich ja schon in ihnen spiegeln! Kommt, ihr habt euch euer Abendessen wohl verdient!«
    Er führte sie zu einem Tisch in der Küchenecke und tischte ihnen zuerst eine kräftige Suppe aus Lauch und Linsen auf, dann zwei dicke Scheiben Schweinebraten, mit Äpfeln geschmort, dazu Brot und Tunke, und zum Nachtisch bekam jeder einen frischen Pfirsich.
    Sie verließen die Küche durch die Schankstube, in welcher ein munteres Fest im Gange zu sein schien. Drei Musikanten mit Trommeln, Flageolett und Laute spielten zum fröhlichen Tanz auf. Da entdeckte Glyneth durch den Kreis der Zuschauer den alten Krüppel, dem sie die Goldmünze geschenkt hatten. Er war jetzt betrunken und tanzte mit wirbelnden Beinen und Armen einen ungestümen Seemannstanz. Dann packte er die Kellnerin, und die zwei vollführten einen ausgelassenen Hüpftanz durch die gesamte Länge der Schankstube, wobei der Alte einen Arm um die Hüften der Kellnerin gelegt hatte, während er in der anderen einen großen Humpen Bier schwenkte.
    Glyneth wandte sich an einen der Umstehenden. »Wer ist jener alte Mann? Als ich ihn das letzte Mal sah, schien er mir ein Krüppel.«
    »Das ist Ludolf, der Spitzbube, und er ist genauso wenig ein Krüppel wie du oder ich. Er schlendert zum Dorf hinaus und macht es sich im Straßengraben gemütlich. Kommt ein Wanderer des Weges, fängt er jammervoll zu stöhnen an und läßt sich von dem Wandersmann ins Dorf führen. Dort angekommen, fängt Ludolf erneut an zu stöhnen und zu klagen, und gewöhnlich bekommt er dann von dem gerührten Wandersmann einen Heller oder zwei. Heute muß ihm wahrhaftig ein Pascha aus Indien begegnet sein.«
    Traurig führte Glyneth Dhrun zum Stall, wo sie die Leiter zum Dachboden hinaufstiegen. Dort angekommen, berichtete sie Dhrun, was sie in der Schankstube erlebt hatte. Dhrun wurde zornig. Er knirschte mit den Zähnen und biß sich auf die Lippen. »Wie ich Lügner und Betrüger verachte!«
    Glyneth lachte traurig. »Ärgern wir uns nicht, Dhrun. Ich mag nicht sagen, wir haben eine Lektion gelernt, denn vielleicht schon morgen könnten wir wieder dasselbe tun.«
    »Aber wir würden dabei viel mehr Vorsicht walten lassen.«
    »Gewiß. Aber wenigstens brauchen wir uns unserer nicht zu schämen.«
    Die Straße von Maude nach Haselholz führte sie durch eine abwechslungsreiche Landschaft aus Feld und Wald, Berg und Tal, aber es widerfuhr ihnen weder Schlimmes noch Aufregendes, und sie erreichten Haselholz am Mittag des fünften Tages nach ihrem Aufbruch in Lumarth. Das Fest hatte noch nicht begonnen, aber die Buden, Pavillons, Bühnen und sonstigen Attraktionen des Jahrmarkts waren bereits im Aufbau.
    Glyneth hielt Dhruns Hand fest und ließ ihre Blicke über das Treiben schweifen.
    »Es sieht so aus, als wären hier mehr Händler als gewöhnliches Volk. Vielleicht wollen sie hauptsächlich untereinander ihre Geschäfte machen. Es ist schon ein fröhliches Bild, die geschäftigen Leute und der

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