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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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nun laß mich die Feder spitzen. Siehst du? So macht man das. Und nun zu den A und den G ...«
    An jenem regnerischen Morgen, als Suldrun zu ihrem Unterricht in die Bibliothek ging, war Meister Jaimes bereits anwesend. Ein Dutzend gespitzter Federkiele lag bereit. »Heute«, sagte Meister Jaimes, »mußt du deinen Namen schreiben, in voller Länge, und zwar so sauber und schön, daß ich einen richtigen Freudenschrei ausstoße!«
    »Ich will mein Bestes tun«, antwortete Suldrun. »Das sind sehr schöne Federkiele.«
    »Sie sind in der Tat hervorragend.«
    »Die Federn sind alle weiß.«
    »Ich glaube, das stimmt.«
    »Die Tinte ist schwarz. Ich glaube, schwarze Federn wären besser für schwarze Tinte.«
    »Ich glaube nicht, daß man beim Schreiben einen Unterschied bemerkt.«
    »Wir könnten doch mit den weißen Federn weiße Tinte ausprobieren.«
    »Ich habe weder weiße Tinte, noch gibt es schwarzes Pergament. Also mußt du ...«
    »Meister Jaimes, heute morgen habe ich über Farben nachgedacht. Woher kommen sie? Was sind sie?«
    Meister Jaimes blinzelte mit den Augen und legte den Kopf schief. »Farben? Sie existieren. Wir sehen überall Farbe.«
    »Aber sie kommen und gehen. Was sind sie?«
    »Nun, ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wie klug von dir, diese Frage zu stellen. Rote Dinge sind rot, grüne Dinge sind grün, und so ist es halt nun einmal.«
    Suldrun schüttelte lächelnd den Kopf. »Manchmal glaube ich, ich weiß genauso viel wie du, Meister Jaimes.«
    »Tadle mich nicht. Siehst du die Bücher dort? Plato und Cnessus und Rohan und Herodot – ich habe sie alle gelesen, und dabei habe ich nur gelernt, wieviel ich nicht weiß.«
    »Was ist mit den Zauberern? Wissen die alles?«
    Meister Jaimes ließ seinen dürren Körper linkisch auf seinen Stuhl zurücksinken und alle Hoffnung auf eine förmliche und korrekte Atmosphäre fahren. Er blickte zum Fenster der Bibliothek hinaus und sagte: »Als ich noch auf Hredec lebte – ich war kaum mehr als ein junger Bursche –, freundete ich mich mit einem Magier an.« Ein rascher Blick auf Suldrun verriet ihm, daß er ihre gespannte Aufmerksamkeit gewonnen hatte. »Sein Name war Shimrod. Eines Tages besuchte ich ihn in seinem Hause Trilda und vergaß völlig die Zeit. Die Nacht brach an, und ich war weit weg von zu Hause. Da fing Shimrod eine Maus und verwandelte sie in ein schönes Pferd. ›Steig auf, und reite geschwind nach Hause‹, sprach er zu mir. ›Aber steige nicht ab oder berühre den Boden, ehe du nicht an deinem Ziel angelangt bist, denn sobald dein Fuß den Boden berührt, verwandelt sich das Pferd sofort wieder in eine Maus zurück!‹ Ich tat wie geheißen. Ich ritt in vollendetem Stil, zum Neid jener, die mich sahen, und ich saß hinter dem Stall ab, damit niemand merkte, daß ich auf einer Maus geritten war. Doch nun Schluß damit! Wir vergeuden unsere Zeit.«
    Er richtete sich in seinem Stuhl auf und riß sich zusammen. »Hurtig jetzt! Nimm deine Feder, tauche sie gut ein und schreib mit ein feines R, wie du es für deinen Namen brauchst.«
    »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet!«
    »›Wissen Zauberer alles?‹ Die Antwort ist nein. Und nun deine Lettern, fein sauber und gestochen.«
    »Oh, Meister Jaimes, ich mag heute gar nicht schreiben! Es langweilt mich so. Unterrichte mich doch statt dessen in Magie!«
    »Ha! Wenn ich zaubern könnte, würde ich dann hier ein solch klägliches Leben fristen, für zwei Taler in der Woche? Nein, nein, meine kleine Prinzessin, da wüßte ich wohl Beßres zu tun! Ich würde mir zwei feine Mäuschen nehmen und sie in ein Paar wunderschöne Pferde verwandeln, und dann würde ich ein schöner junger Prinz werden, nicht viel älter als du, und wir würden zusammen davonreiten, über Berg und Tal, zu einem wunderbaren Schloß in den Wolken, und dort würden wir Erdbeeren mit Sahne essen und den Klängen von Harfen und Elfenglocken lauschen. Aber leider kann ich nicht zaubern. Ich bin der arme Meister Jaimes, und du bist die süße schelmische kleine Suldrun, die ihre Lettern nicht lernen will.«
    »Doch«, erwiderte Suldrun in plötzlicher Entschlossenheit. »Ich will ganz hart arbeiten, damit ich lesen und schreiben kann, und weißt du auch, warum? Damit ich zaubern lernen kann, und du brauchst dann nur noch zu lernen, wie man Mäuse fängt.«
    Meister Jaimes stieß ein seltsames, ersticktes Lachen aus. Er streckte die Arme über den Tisch und ergriff ihre Hände. »Suldrun, du kannst schon

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