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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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zaubern.«
    Einen Moment lang lächelte sie ihn an, dann senkte sie in plötzlicher Verlegenheit den Kopf und schickte sich an ihre Arbeit.
     
    Der Regen wollte nicht aufhören. Meister Jaimes, der oft in der Kälte und Nässe draußen herumspazierte, erkrankte am Fieber und konnte nicht unterrichten. Niemand hielt es für nötig, Suldrun davon in Kenntnis zu setzen, und als sie hinunter in die Bibliothek ging, fand sie den Raum leer vor.
    Sie übte eine Weile Schreiben und blätterte in einem ledergebundenen Buch aus Northumbrien, das voll war von wunderschönen Abbildungen von Heiligen und Landschaften, die mit hell leuchtender, farbiger Tinte gemalt waren.
    Schließlich legte Suldrun das Buch beiseite und ging hinaus in die Halle. Es war früher Nachmittag, und in der großen Säulenhalle waren Knechte und Mägde emsig am Werk. Mehrere Mägde polierten die Steinplatten mit Bienenwachs und Lappen aus Lammfell. Ein Lakai bewegte sich auf zehn Fuß hohen Stelzen von Wandleuchter zu Wandleuchter und füllte sie mit dem Öl von weißen Wasserlilien auf. Von draußen drang, gedämpft durch die dicken Mauern, Trompetenschall herein, der die Ankunft von Personen von Stand ankündigte. Suldrun sah sie in die Empfangshalle kommen: drei Granden, die den Regen aus ihren Kleidern schüttelten. Lakaien hasteten herbei und befreiten sie von ihren Umhängen, Helmen und Schwertern. Von der Seite der Galerie erscholl die Stimme des Herolds: »Drei edle Herren aus dem Königreich Dahaut! Es sind: Lenard, Herzog von Mech! Milliflor, Herzog von Cadwy und Josselm! Imphal, Marquis der Keltischen Mark!«
    König Casmir trat vor. »Meine Herren, ich heiße euch auf Haidion willkommen!«
    Die drei Granden vollführten einen rituellen Knicks: den Kopf und die Schultern gesenkt, beugten sie das rechte Knie gegen den Boden, verharrten, die Hände vom Körper abgespreizt, einen Moment und richteten sich dann wieder auf, wobei sie Kopf und Schultern weiterhin gebeugt hielten. Die Art der Begrüßung deutete auf eine Angelegenheit von förmlichem, aber noch nicht zeremoniellem Rang hin.
    König Casmir erwiderte ihren Knicks mit einem knappen, gleichwohl huldreichen Wink mit der Hand. »Meine Herren, ich schlage vor, daß ihr euch erst einmal rasch in eure Gemächer begebt, wo ein warmes Feuer und trockene Kleidung euch Erquikkung bringen werden. Zu gegebener Zeit werden wir dann unsere Beratungen aufnehmen.«
    Sir Milliflor antwortete: »Dank Euch, König Casmir. Wir sind fürwahr naß. Der verfluchte Regen hat uns keine Ruhepause gegönnt!«
    Die Gäste wurden hinausgeleitet. König Casmir wandte sich um und schritt die Galerie hinunter. Da gewahrte er Suldrun und blieb stehen. »He, was ist das denn? Warum bist du nicht bei deinem Unterricht?«
    Suldrun entschied sich, nichts von Meister Jaimes' Abwesenheit zu erwähnen. »Ich bin gerade mit meinem Pensum fertig geworden. Ich kann alle Lettern gut schreiben, und ich kann Wörter aus ihnen bilden. Heute morgen habe ich ein großes Buch über die Christen gelesen.«
    »Ha, gelesen hast du also? Richtig mit Lettern und Wörtern?«
    »Nicht alle Wörter, Vater. Es waren Unzialen, noch dazu in lateinischer Sprache. Mit beidem habe ich Schwierigkeiten. Aber ich habe die Bilder sorgsam betrachtete, und Meister Jaimes sagt, ich mache meine Sache gut.«
    »Das freut mich zu hören. Aber du mußt auch ordentliches Betragen lernen und darfst nicht unbeaufsichtigt in der Galerie herumspazieren.«
    Suldrun erwiderte rasch und mit einem ängstlichen Unterton in der Stimme: »Vater, manchmal ziehe ich es vor, allein zu sein.«
    Casmir zog die Stirn kraus und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Er mißbilligte Widerspruch gegen seine Entscheidungen, besonders von einem Mädchen, das so klein und unerfahren war. Mit wohlbemessener Stimme, in einem Ton, der die Deutlichkeit und Endgültigkeit seiner Worte zum Ausdruck bringen sollte, erwiderte er: »Deine Wünsche und Vorlieben müssen gelegentlich den Zwängen der Wirklichkeit nachgeben.«
    »Ja, Vater.«
    »Du mußt dir deiner Wichtigkeit bewußt sein. Du bist die Prinzessin Suldrun von Lyonesse! Bald werden die Männer von Stand aus aller Welt kommen und um deine Hand anhalten, dann darfst du nicht mehr den Anschein einer ausgelassenen jungen Range erwecken. Wir wollen sorgfältig wählen, zu deinem und zu des Reiches Wohle!«
    Suldrun sagte unsicher: »Vater, über das Heiraten mache ich mir noch keine Gedanken.«
    Casmirs Augen verengten sich.

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