Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Gruppe in ein Gemach, das mit sechs Betten ausgestattet war. Das angrenzende Badezimmer bot fließendes warmes Wasser, Palm- und Aloeseife und Handtücher aus Leinen. Nach dem Bad genossen sie die Speisen und Getränke, die sie aus ihren Satteltaschen mitgebracht hatten.
»Eßt euch satt«, mahnte Aillas. »Laßt uns diesen Raum nicht hungrig verlassen.«
»Besser noch, wir verlassen diesen Raum überhaupt nicht«, wandte Yane ein.
»Unmöglich!« protestierte Scharis. »Bist du denn überhaupt nicht neugierig?«
»Bei Dingen dieser Art nicht sehr. Ich gehe direkt ins Bett.«
Cargus sagte: »Ich bin ein großer Schwelger, wenn die richtige Stimmung mich überkommt. Den Gelagen anderer zuzuschauen verdirbt mir hingegen die Laune. Auch ich werde mich zu Bett begeben und meine eigenen Träume träumen.« Bode sagte: »Ichwerde bleiben. Ich bedarf keiner Überzeugung.«
Aillas wandte sich Garstang zu. »Und was ist mit dir?«
»Wenn du bleibst, bleibe ich auch. Wenn du gehst, gehe ich mit dir, um dich vor Gier und Trunksucht zu bewahren.«
»Scharis?«
»Ich könnte es hier drinnen nicht aushalten. Ich werde gehen, um wenigstens ein wenig umherzuwandern und durch die Löcher meiner Maske zu starren.«
»Dann will auch ich gehen und dich behüten, so wie Garstang mich behütet, und wir beide werden
Garstang zusammen behüten; so sind wir sicher.«
Scharis zuckte die Achseln. »Wie du meinst.«
»Was kann uns schon passieren? Wir wandern und schauen zusammen.«
Die drei setzten ihre Masken auf und verließen das Gemach.
Hohe Bogengänge boten Ausblick auf die Terrasse, auf der blühender Jasmin, Orangenbäume, Elethea und Cleanotis ihren betörenden Duft verströmten. Auf einer Bank, die mit Kissen aus dunkelgrünem Samt gepolstert war, ließen die drei sich nieder. Die Wolken, die einen schweren Sturm angekündigt hatten, waren abgezogen. Die Abendluft war lind und mild.
Ein großer Mann in einem dunkelroten Kostüm, mit lockigem, schwarzem Haar und einem kurz gestutzten, schwarzen Bart trat zu ihnen und musterte sie. »Nun, wie findet ihr meine Villa?«
Garstang schüttelte den Kopf. »Ich bin sprachlos.«
Aillas sagte: »Es ist zu viel, um es zu begreifen.«
Scharis' Gesicht war bleich, und seine Augen leuchteten. Aber auch er wußte wie Garstang nichts zu sagen.
Aillas deutete auf die Bank. »Setzt Euch ein wenig zu uns, Lord Daldace.«
»Mit Vergnügen.«
»Wir sind neugierig«, sagte Aillas. »Diese Stätte ist voll von überwältigender Schönheit, sie ist fast so unwirklich wie ein Traum.«
Lord Daldace blickte sich um, als sähe er die Villa zum erstenmal. »Was sind Träume? Die gewöhnliche Erfahrung ist ein Traum. Die Augen, die Ohren, die Nase: Sie bewirken Bilder im Hirn, und diese Bilder nennt man dann ›Wirklichkeit‹. Des Nachts, wenn wir träumen, entstehen andere Bilder in unserem Hirn, Bilder von unbekannter Herkunft. Manchmal sind die Traumbilder wirklicher als die ›Wirklichkeit‹. Was ist real, was Trugbild? Warum sollen wir uns die Mühe geben, diese Unterscheidung zu machen? Beim Kosten eines edlen Weines analysiert nur der Pedant jede einzelne Komponente des Geschmacks. Wenn wir ein schönes Mädchen bewundern, taxieren wir dann jeden einzelnen Knochen seines Schädels? Ich bin sicher, daß wir das nicht tun. Nimm Schönheit hin, so wie sie ist: Das ist das Credo der Villa Meroë.«
»Empfindet Ihr denn keinen Überdruß?«
Lord Daldace lächelte. »Habt Ihr je Überdruß in einem Traum empfunden?«
»Niemals«, warf Garstang ein. »Ein Traum ist immer höchst lebendig.«
Scharis sagte: »Sowohl das Leben als auch der Traum sind Dinge von delikatester Zerbrechlichkeit. Ein Stich, ein Hieb – schon sind sie dahin, wie ein süßer Duft, der im Winde verweht.«
Garstang sagte: »Vielleicht beantwortet Ihr mir dies: Warum sind alle maskiert?«
»Eine Grille, eine Schrulle, eine Laune, eine Marotte! Ich könnte Euch eine Gegenfrage stellen. Betrachtet Euer Gesicht. Ist es nicht eine Maske aus Haut? Ihr drei, Aillas, Garstang und Scharis, seid alle von der Natur begünstigt; eure Hautmaske empfiehlt euch der Welt. Euer Gefährte Bode ist nicht so glücklich. Er würde nichts lieber tun, als immer eine Maske vor seinem Gesicht tragen.«
»Niemand aus Eurer Gesellschaft scheint häßlich oder ungestalt«, wandte Garstang ein. »Die Herren sind edel, die Damen sind schön. Soviel ist offensichtlich, trotz der Masken.«
»Vielleicht. Dennoch, spät am Abend, wenn die
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