Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
der Düsternis, durchdrungen von einer altehrwürdigen, unerschütterlichen Größe und Erhabenheit. Ein Feuer im Kamin warf flackernden Schein in einen großen, runden Raum. Der Boden war mit Steinplatten ausgelegt; keine Bilder oder Behänge milderten die Nacktheit der Wände. Eine Galerie verlief in fünfzehn Fuß Höhe rings um den Raum, darüber, schon halb im Schatten versunken, eine zweite, und darüber noch eine dritte, kaum mehr sichtbar in der Dunkelheit.
Roh gezimmerte Tische und Bänke standen dicht beim Kamin. Auf der gegenüberliegenden Seite brannte ein zweites Feuer. Dort, hinter einer Theke, wirkte flink und zielstrebig über Töpfen und Pfannen ein alter Mann mit hagerem Gesicht und strähnigem Grauhaar. Er schien sechs Hände zu haben, die alle gleichzeitig rührten, schütteten, schabten, langten. Er beträufelte ein Lamm, das sich an einem Spieß drehte, schüttelte eine Pfanne mit Tauben und Wachteln auf, hängte Töpfe hierhin und dorthin, auf daß jeder die rechte Hitze erhielt.
Einen Augenblick lang sah Aillas ihm mit respektvoller Aufmerksamkeit zu. Er war von der Geschicklichkeit des alten Mannes beeindruckt. Schließlich fragte er, eine Verschnaufpause des Alten nutzend: »Herr, seid Ihr der Wirt?«
»Ganz recht, mein Herr. Ich nehme diese Rolle für mich in Anspruch, sofern dieses behelfsmäßige Lokal eine solche Würde verdient.«
»Würde ist unsere geringste Sorge, wenn Ihr uns nur eine Bettstatt für die Nacht zur Verfügung stellen könnt. Daß wir uns auf ein schmackhaftes Abendessen freuen können, dessen habe ich mich bereits mit eigenen Augen zur Genüge versichert.«
»Das Logis hier ist vom schlichtesten; ihr schlaft im Heu über dem Stall. Besseres hat mein Haus nicht zu bieten, und ich bin zu alt, um Neuerungen einzuführen.«
»Wie ist Euer Bier?« fragte Bode. »Schenkt uns kühles, klares, bitteres, und Ihr werdet keine Klagen hören.«
»Ihr enthebt mich meiner Ängste, denn ich braue gutes Bier. Nehmt Platz.«
Die fünf setzten sich ans Feuer und beglückwünschten sich, daß sie nicht noch eine windige Nacht im Farn verbringen mußten. Eine beleibte Frau brachte ihnen Bier in Buchenholzbechern, die irgendwie die vorzügliche Qualität des Gebräus noch besser zur Geltung brachten, und Bode erklärte: »Der Wirt hat nicht übertrieben! Von mir wird er keine Klagen hören.«
Aillas betrachtete die anderen Gäste, die an den Tischen saßen. Es waren sieben an der Zahl: ein ältlicher Bauer mit seinem Weib, zwei Hausierer und drei junge Männer, ihrer Kleidung nach Holzfäller. Jetzt betrat eine gebeugte alte Frau den Raum. Sie war ganz in Grau gekleidet. Ihr Kopf war unter einer Kapuze verborgen, die sie tief ins Gesicht gezogen hatte.
Sie blieb stehen und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Aillas spürte, wie ihr Blick für einen Moment verharrte, als er auf ihn traf. Nach kurzem Zögern durchquerte sie, seltsam hoppelnd, den Raum und setzte sich an einen Tisch abseits von den anderen.
Die beleibte Frau servierte ihnen jetzt ihr Abendessen: Wachteln, Tauben und Rebhuhn auf Brotscheiben, die mit der Bratensoße getränkt waren; Lammbraten, der, nach galicischer Art zubereitet, einen köstlichen Duft nach Knoblauch und Rosmarin verströmte, mit einem Salat aus Kresse und jungem Blattgemüse. Dieses war weit besser als alles, was sie erwartet hätten.
Während Aillas aß, beobachtete er die vermummte Frau, die an ihrem Tisch in der Ecke jetzt ebenfalls zu Abend aß. Ihre Art zu essen war verwirrend: Sie beugte sich bei jedem Bissen vor und schlang ihr Essen gierig schnappend hinunter. Aillas beobachtete sie unauffällig, und es entging ihm nicht, daß auch sie immer wieder verstohlen aus dem Schatten ihrer Kapuze zu ihm herüberspähte. Als sie wieder einmal hastig den Kopf beugte, um nach einem Bissen Fleisch zu schnappen, glitt ihr Mantel zur Seite, so daß Aillas ihren Fuß sehen konnte.
Leise sagte er zu seinen Kameraden: »Die alte Frau dort drüben, seht sie euch einmal unauffällig an, und sagt mir, was ihr seht.«
Garstang stammelte verblüfft: »Sie hat einen Hühnerfuß!«
Aillas erklärte: »Sie ist eine Hexe mit dem Gesicht eines Fuchses und den Beinen eines großen Huhnes. Zweimal bereits griff sie mich an; zweimal hieb ich sie entzwei, und beide Male setzte sie sich selbst wieder zusammen.«
Die Hexe, die just in diesem Moment wieder herüberstarrte, bemerkte ihre Blicke, zog hastig ihren Fuß ein und vergewisserte sich mit einem
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