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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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ihnen.
    Aillas wandte sich Bodes Gefangenem zu und machte eine knappe Verbeugung, wie unter Herren von Stand ziemlich. »Sir Descandol, der Wirt erklärte, Ihr seiet ein Fachmann, was das Banditenwesen in dieser Gegend betrifft. Jetzt wird mir klar, wie er das gemeint hat. Cargus, sei so gut und wirf ein Seil über den kräftigen Ast dort vorn. Sir Descandol, gestern abend war ich Euch dankbar für Euren klugen Rat, doch heute muß ich mich fragen, ob Euer Motiv nicht lediglich schlichte Habsucht war, wäre doch Eure Beute arg geschmälert worden, wenn jemand anderes Euch zuvorgekommen wäre.«
    Sir Descandol erhob Einspruch. »Ganz gewiß nicht! Es ging mir zuvörderst darum, Euch die Erniedrigung zu ersparen, von zwei kecken Flittchen ausgeplündert zu werden.«
    »Dann war es doch ein Akt edler Gesinnung. Schade, daß wir nicht eine oder zwei Stunden damit verbringen können, Artigkeiten auszutauschen.«
    »Ich wäre durchaus nicht abgeneigt«, erwiderte Sir Descandol galant.
    »Die Zeit drängt. Bode, binde Sir Descandols Arme und Beine fest zusammen, damit er nicht gezwungen ist, alle möglichen unansehnlichen Verrenkungen zu vollführen. Wir respektieren seine Würde genauso, wie er die unsrige respektiert.«
    »Das ist sehr freundlich von Euch«, sagte Sir Descandol.
    »Nun denn! Bode, Cargus, Garstang! Zieht ihn hoch!«
    Faurfisk wurde im Wald unter einem Filigran aus Sonne und Schatten begraben. Yane wanderte zwischen den Leichen umher und barg seine Pfeile. Dann ließen sie Sir Descandol wieder herunter, knüpften das Seil los, rollten es auf und hängten es an den Sattel von Faurfisks großem Rappen. Alsdann saßen die sechs auf und ritten, ohne einen Blick zurückzuwerfen, von dannen.
    Stille, von fernem süßem Vogelgesang eher unterstrichen denn gebrochen, umschloß sie. Als der Tag sich neigte, nahm das Sonnenlicht, das durch das Laub fiel, einen weichen, gelbbraunen Schimmer an, und die Schatten, die es warf, wurden dunkel und tief, durchdrungen von Rotbraun, Malve und Dunkelblau. Niemand sprach; die Hufe machten nur gedämpfte Geräusche.
    Bei Sonnenuntergang hielten die sechs an einem kleinen Teich. Um Mitternacht, als Aillas und Scharis Wache hielten, funkelten und flackerten blaue Lichter durch den Wald. Eine Stunde später sprach eine Stimme in der Ferne drei deutlich voneinander abgesetzte Worte. Für Aillas waren sie unverständlich, doch Scharis stand auf und hob den Kopf, fast so, als wolle er antworten.
    Verwundert fragte Aillas: »Hast du die Stimme verstanden?«
    »Nein.«
    »Warum machtest du dann Anstalten, als wolltest du ihr antworten?«
    »Mir war beinahe, als spräche sie zu mir.«
    »Warum sollte sie das tun?«
    »Ich weiß es nicht ... Solche Dinge machen mir Furcht.«
    Aillas stellte keine weiteren Fragen.
    Die Sonne ging auf. Die sechs aßen Brot und Käse und setzten ihren Ritt fort. Der Wald öffnete sich hier und da zu Lichtungen und Wiesen. Ausbisse bröckligen grauen Felsens zogen sich quer über den Pfad, die Bäume wuchsen krumm und knorrig.
    Während des Nachmittags verschleierte sich der Himmel. Das Sonnenlicht wurde golden und matt, wie das Licht des Herbstes. Wolken zogen von Westen her auf, immer dunkler und drohender.
    Nicht weit von einer Stelle, an welcher der Weg auf der Rückseite eines Gartens das obere Ende einer langgezogenen Wiese kreuzte, stand ein Palast von anmutiger, wiewohl schwärmerisch verspielter Bauweise. Ein Portal aus kunstvoll gemeißeltem Marmor bewachte den Eingang, der mit säuberlich geharktem Kies geschüttet war. In der Tür des Torhauses stand ein Torwächter in einer Livree mit dunkelrotem und blauem Rautenmuster.
    Die sechs hielten an und betrachteten den Palast, bot er doch die Möglichkeit, hier Obdach für die Nacht zu finden, vorausgesetzt, hier galten die normalen Maßstäbe der Gastfreundschaft. Aillas saß ab und näherte sich dem Torhaus. Der Torwächter verneigte sich höflich. Er trug einen breitkrempigen, schwarzen Filzhut, den er tief in die Stirn gezogen hatte, und einen kleinen schwarzen Domino über der oberen Hälfte seines Gesichts. Neben ihm lehnte eine Parade-Hellebarde an der Wand; er trug keine anderen Waffen.
    Aillas sprach: »Wer ist Herr jenes Palastes?«
    »Dies ist die Villa Meroë, Herr, ein schlichtes Landhaus, in welchem mein Herr Daldace sich in der Gesellschaft seiner Freunde vergnügt.«
    »Dies ist eine einsame Gegend für ein solches Landhaus.«
    »Das ist der Fall, Herr.«
    »Wir möchten Lord Daldace

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