Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Es soll sein, wie ich beschlossen habe.«
Suldrun stand da, das Gesicht zu Boden gewandt. Sie hatte offensichtlich nichts mehr zu sagen. König Casmir machte auf dem Absatz kehrt, marschierte die Lange Galerie hinunter und die Treppe zu seinen Gemächern hinauf. Suldrun starrte ihm nach, die Hände zu Fäusten geballt und in die Seiten gestemmt. Sie wandte sich um und rannte die Galerie hinunter, hinaus in das verblassende Licht des Nachmittags. Sie stürmte die Arkade hinauf, durch das alte Tor und hinunter in den Garten. Die Sonne, die schon tief am Himmel stand, sandte düsteres Licht unter einer hohen Wolkenbank hervor. Der Garten schien kühl und einsam.
Suldrun wanderte den Pfad hinunter, an den Ruinen vorbei, kauerte sich, die Arme um die Knie geschlungen, unter den alten Lindenbaum und dachte über das Los nach, das unausweichlich auf sie vorzurücken schien. Es bestand, so schien es ihr, kein Zweifel daran, daß Carfilhiot sie heiraten und nach Tintzin Fyral mitnehmen würde, um dort, so er die Zeit für gekommen hielt, die Geheimnisse ihres Leibes und ihres Geistes zu erforschen ... Die Sonne versank in Wolken, der Wind blies kalt. Suldrun fröstelte. Sie stand auf und ging langsam, mit niedergeschlagenen Augen, wieder zurück. Sie stieg hinauf zu ihren Gemächern, wo Lady Desdea sie gereizt ausschalt.
»Wo seid Ihr gewesen? Auf der Königin Geheiß muß ich Euch in feine Kleider hüllen. Ein Bankett soll stattfinden und Tanz. Euer Bad ist bereitet.«
Suldrun stieg teilnahmslos aus ihren Kleidern und in ein großes marmornes Becken, das randvoll mit warmem Wasser gefüllt war. Ihre Jungfern rieben sie mit Seife aus Olivenöl und Aloeasche ein, dann spülten sie sie mit Wasser ab, das parfümiert war mit Limone und Eisenkraut, und trockneten sie mit weichen Baumwolltüchern. Ihr Haar wurde gebürstet, bis es glänzte. Man zog ihr ein dunkelblaues Gewand an, und ein silbernes, mit kleinen Täfelchen aus Lapislazuli besetztes Haarnetz wurde über ihr Haupt gelegt.
Lady Desdea trat einen Schritt zurück. »Das ist das Beste, was ich aus Euch machen kann. Ohne Zweifel, Ihr seid hübsch. Trotzdem fehlt noch etwas. Ihr müßt ein wenig Koketterie einsetzen – doch nicht im Übermaß, wohlgemerkt! Laßt ihn spüren, daß Ihr begreift, was er im Sinne hat. Ein wenig Koketterie bei einem Mädchen ist wie Salz in der Suppe ... Und jetzt noch etwas Fingerhuttinktur, damit Eure Augen funkeln!«
Suldrun zuckte zurück. »Ich will nichts davon!«
Lady Desdea wußte um die Sinnlosigkeit einer Diskussion mit Suldrun. »Ihr seid das widerspenstigste Wesen, das es auf der Welt gibt! Wie gewöhnlich, tut, wie es Euch beliebt.«
Suldrun lachte bitter. »Wenn ich täte, wie es mir beliebt, würde ich nicht zu dem Ball gehen.«
»Na, na, freches Prinzeßchen.« Lady Desdea küßte Suldrun auf die Stirn. »Hoffentlich tanzt das Leben immer nach Eurer Musik ... Und nun sputet Euch, das Bankett wartet. Ich bitt' Euch, seid zuvorkommend zu Herzog Carfilhiot, hofft doch Euer Vater auf eine Verlobung.«
Beim Bankett saßen König Casmir und Königin Sollace am Kopf der großen Tafel. Suldrun saß zur Rechten ihres Vaters, Carfilhiot zur Linken von Königin Sollace.
Suldrun studierte Carfilhiot unauffällig. Mit seiner glatten Haut, dem dichten schwarzen Haar und seinen leuchtenden Augen war er unbestreitbar schön, ja fast zu schön. Er aß und trank mit Grazie; seine Konversation war erlesen galant; seine vielleicht einzige Affektiertheit war seine Bescheidenheit: Er sprach wenig von sich. Dennoch sah Suldrun sich nicht imstande, seinem Blick zu begegnen, und wenn sie, so es die Situation erforderte, zu ihm sprach, kamen ihr die Worte mit Schwierigkeit.
Carfilhiot, so ahnte sie, spürte ihre Aversion, doch schien dies sein Interesse erst richtig zu stimulieren. Er gebärdete sich noch höflicher und zuvorkommender, so als trachte er, ihre Abneigung durch schiere Galanterie zu brechen. Dazu spürte Suldrun die ganze Zeit über wie einen Frosthauch die gespannte Aufmerksamkeit ihres Vaters auf sich ruhen, so intensiv und bedrohlich, daß sie die Fassung zu verlieren begann. Sie beugte den Kopf über ihren Teller, war jedoch unfähig zu essen.
Sie griff nach ihrem Kelch, dabei trafen sich ihr und Carfilhiots Blick. Einen Moment lang starrte sie hilflos, wie von seinen Blicken aufgespießt. Er weiß, was ich denke, rasten ihre Gedanken. Er weiß – und nun lächelt er, so als besäße er mich schon ... Suldrun schlug die
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