Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
ernster Stimme zu Suldrun: »Ich habe mich heute mit Herzog Carfilhiot unterredet, und er erklärt, daß er in Liebe zu dir entflammt sei. Da eine solche Verbindung von Vorteil ist, habe ich eurer Verlobung zugestimmt.«
Suldrun starrte entsetzt. Schließlich fand sie ihre Sprache wieder. »Herr Vater, könnt Ihr mir nicht glauben? Ich will noch nicht heiraten, und am wenigsten von allen Carfilhiot! Er paßt mir ganz und gar nicht!«
König Casmir ließ die ganze schiere Kraft, die seinen blauen Augen innewohnte, auf Suldrun einwirken. »Das ist zimperliche Launenhaftigkeit. Ich will nichts mehr davon hören! Carfilhiot ist ein edler und schöner Mann! Deine Ängste sind im Übermaße geziert und unbegründet. Morgen um Mittag wirst du Carfilhiot dein Wort geben. In drei Monaten werdet ihr heiraten. Mehr gibt es nicht zu sagen.«
Suldrun ließ sich in die Kissen sinken. Die Kutsche rumpelte den Pfad entlang, sanft in ihren Federn aus Weißbuchenholz schwankend. Pappeln am Wegesrand zogen an der Sonne vorüber. Durch einen Vorhang von Tränen sah Suldrun Licht und Schatten auf dem Gesicht ihres Vaters spielen. Mit leiser, gebrochener Stimme versuchte sie einen letzten Appell: »Vater, zwinge mir diese Heirat nicht auf!«
König Casmir hörte teilnahmslos zu, dann wandte er sein Gesicht ab, ohne eine Antwort zu geben.
In ihrer Pein schaute Suldrun zu ihrer Mutter, Hilfe von ihr erhoffend, doch sie sah nur wächserne Abneigung. Königin Sollace sagte schroff: »Du bist mannbar, wie jeder sehen kann, der Augen hat. Es ist Zeit, daß du von Haidion fortkommst. Mit deinen Hirngespinsten und Grillen hast du uns keine Freude bereitet.«
Erneut erhob der König seine Stimme. »Als Prinzessin von Lyonesse kennst du weder Arbeit noch Not. Du kleidest dich in weiche Seide und genießt ein Wohlleben, wie gewöhnliche Frauen es sich nur erträumen können. Als Prinzessin von Lyonesse mußt du dich aber auch den Diktaten der Politik beugen, genau wie ich selbst. Die Hochzeit wird stattfinden.Überwinde deine kleinliche Schüchternheit, und tritt mit Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit an Herzog Carfilhiot heran. Und nun will ich nichts mehr zu diesem Thema hören.«
Sogleich nach ihrer Ankunft auf Haidion ging Suldrun auf ihre Gemächer. Eine Stunde später fand Lady Desdea sie dort, ins Feuer starrend.
»Komm«, sagte Lady Desdea. »Trübsal läßt das Fleisch welken und gilbt die Haut. Sei guter Dinge! Der König wünscht dich in einer Stunde beim Abendessen zu sehen.«
»Ich ziehe es vor, nicht hinzugehen.«
»Du mußt aber! Der König hat's befohlen. Also frisch, und nicht das Köpfchen hängenlassen! Du wirst das dunkelgrüne Samtkleid tragen, das dir so wunderbar steht, daß jede andere Frau neben dir wie ein toter Fisch aussieht. Wäre ich jünger, ich würde vor Neid mit den Zähnen knirschen. Ich kann nicht verstehen, warum du so verdrießlich bist.«
»Ich finde keinen Geschmack an Herzog Carfilhiot.«
»Pah. In der Ehe wird alles anders. Vielleicht wirst du eines Tages noch ganz vernarrt in ihn sein und lachen, wenn du dann an deine törichten Skrupel zurückdenkst. Und nun – herunter mit den Kleidern! Heißa! Denk daran, wie es sein wird, wenn Herzog Carfilhiot dich erst dazu auffordert! Sosia! Wo steckt dieses flatterhafte Ding nur wieder! Sosia! Bürste der Prinzessin das Haar! Hundert Bürstenstriche auf jeder Seite! Es muß heute abend glänzen wie ein Fluß aus Gold!«
Beim Abendessen war Suldrun bemüht, ein möglichst unpersönliches Verhalten an den Tag zu legen. Sie aß einen Bissen geschmorter Taube; sie trank ein halbes Glas blassen Weines. Wenn das Wort an sie gerichtet wurde, antwortete sie höflich, aber ihre Gedanken waren ganz woanders. Einmal, als sie aufblickte, traf ihr Blick den Carfilhiots, und einen Moment lang starrte sie in seine funkelnden Augen wie ein betörter Vogel.
Sie senkte den Blick und studierte dumpf brütend ihren Teller. Carfilhiot war unbestreitbar galant, stattlich und schön: Warum dann ihre Abneigung gegen ihn? Sie wußte, daß ihre Instinkte sie nicht trogen. Carfilhiot war verwickelt; hinter seiner Stirn wohnten Groll und eigentümliche Neigungen. Worte drangen in ihren Geist, wie von irgendwo herkommend:
Für Carfilhiot ist Schönheit nicht etwas, das man hegen und lieben muß, sondern etwas, das zu plündern und zu verletzen ist.
DieDamen zogensichin denSalonderKöniginzurück. Suldrun rannte schnell hinauf in ihre Gemächer.
Früh am Morgen ging ein
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