Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Die Schoten dichtgeholt, und herum mit dem Ruder!«
Die Tage vergingen. Ankünfte und Abschiede lösten einander ab. Die Ereignisse der Reise blieben Aillas in der Erinnerung haften als ein bunter Bilderbogen aus Geräuschen, Stimmen, Musik; Gesichtern und Gestalten; Helmen, Rüstungen, Hüten und Gewändern; Gerüchen und Düften; Persönlichkeiten und Posen; Häfen, Kais, Ankerplätzen und Reeden; Empfängen, Audienzen; Banketten und Bällen.
Aillas konnte die Wirkung ihrer Besuche nicht abschätzen. Doch hatte er das Gefühl, daß sie überall einen guten Eindruck hinterließen. Die Rechtschaffenheit und Festigkeit von Sir Famet konnten ihre Wirkung nicht verfehlen, und Trewan hatte die meiste Zeit seinen Mund gehalten.
Die Könige waren einheitlich ausweichend und wollten sich auf keine verbindlichen Zusagen einlassen. Der betrunkene König Milo von Blaloc war gerade noch so nüchtern, daß er mit einer weit ausholenden Geste ausrufen konnte: »Dort hinten stehen die mächtigen Festen Lyonesses, wo die troicische Kriegsflotte machtlos ist!«
»Herr, es ist unsere Hoffnung, daß wir als Bündnispartner die Bedrohung, die von diesen Festen ausgeht, vielleicht mildern könnten.«
König Milo reagierte nur mit einer melancholischen Geste und hob einen Krug Branntwein zum Mund.
Der irre König Deuel von Pomperol war ähnlich unbestimmt. Um eine Audienz zu erlangen, reiste die troicische Delegation zu des Königs Sommerpalast Alcantade, durch eine liebliche, fruchtbare Landschaft. Das Volk von Pomperol, weit davon entfernt, sich an den fixen Ideen seines Monarchen zu stoßen, fand sogar Gefallen an seinen Possen; man duldete seine Torheiten nicht nur, sondern ermunterte ihn noch darin.
König Deuels Wahn war freilich harmloser Natur. Er hegte eine übertriebene Vorliebe für Vögel und gab sich absurden Schrullen hin, von denen er einige kraft seiner Machtfülle als König sogar in die Tat umsetzen konnte. So betitelte er seine Minister mit Namen wie Lord Goldfink, Lord Schnepfe, Lord Kiebitz, Lord Wiedehopf, Lord Elster. Seine Herzöge hießen Herzog Eichelhäher, Herzog Brachvogel, Herzog Seeschwalbe, Herzog Nachtigall. Ein Erlaß ächtete das Essen von Eiern als »grausames und mörderisches Delikt, welches schrecklicher und strenger Strafe unterliegt«.
Alcantade, der Sommerpalast, war König Deuel einst im Traum erschienen. Gleich beim Erwachen hatte er seine Baumeister gerufen und ihnen seine Vision geschildert und angeordnet, daß sie sofort mit dem Bau beginnen müßten. Wie man leicht erraten kann, war Alcantade ein ungewöhnliches Bauwerk. Von welchem nichtsdestoweniger ein seltsamer Zauber ausging. Es war leicht, filigran, leuchtete in bunten Farben und hatte hohe Dächer auf verschiedenen Ebenen.
Als Sir Famet, Aillas und Trewan auf Alcantadeeintrafen, fanden sie König Deuel an Bord seiner schwanenförmigen Barke sitzend. Ein Dutzend junger, in weiße Federkostüme gehüllte Mädchen stießen das Boot schwimmend langsam vor sich her über den See.
Kurz darauf trat König Deuel ans Ufer: ein kleiner, bläßlicher Mann mittleren Alters. Er begrüßte die Gesandten mit großer Herzlichkeit. »Willkommen! Willkommen! Es ist mir ein Vergnügen, Bürgern von Troicinet zu begegnen, einem Land, von dem ich große Dinge gehört habe. Der Breitschnabeltaucher nistet dort an den Felsgestaden in überreichlicher Zahl, und der Kleiber sättigt sich an den Eicheln Eurer prächtigen Eichen. Der große troicische Ohrenkauz ist allenthalben berühmt für seine erhabene Schönheit. Ich gestehe, daß ich eine große Liebe zu den Vögeln hege; sie erfreuen mich mit ihrer Anmut und ihrem Mut. Doch genug meines Überschwanges. Was führt Euch nach Alcantade?«
»Majestät, wir sind Gesandte König Granices, und wir überbringen eine wichtige Botschaft. Wenn Ihr geneigt seid zu hören, will ich sie vor Euch aussprechen.«
»Wann gäbe es dafür einen besseren Moment als jetzt? Haushofmeister, bringt uns Erfrischung! Setzen wir uns an jenen Tisch dort. Nun sagt mir Eure Botschaft.«
Sir Famet schaute nach links und nach rechts zu den Höflingen, die in gebührendem Abstand harrten. »Herr, würdet Ihr mich nicht vielleicht lieber unter vier Augen anhören?«
»Aber nein!« erwiderte König Deuel. »Auf Alcantade haben wir keine Geheimnisse. Wir sind wie Vögel in einem Garten voller reifer Früchte, wo jeder sein fröhlichstes Lied trällert. Sprecht, Sir Famet.«
»Wie Ihr wünscht, Majestät. Ich werde
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