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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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erfordert.« Sir Famet lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Vielleicht sollte ich etwas zu unserer Mission sagen. Ihr erklärter Zweck ist es, eine Reihe vorteilhafter Bündnisse auszuhandeln. Doch sowohl König Granice als auch ich wären überrascht, wenn uns das gelänge. Wir werden es mit Personen zu tun haben, die uns an Rang übertreffen, Personen mit unterschiedlichsten Neigungen, und alle starr befangen in ihren eigenen Vorstellungen. König Deuel von Pomperol ist ein leidenschaftlicher Vogelkundler, König Milo von Blaloc trinkt gewöhnlich eine Viertelpinte Branntwein, ehe er sich des Morgens aus seinem Bett erhebt. Der Hof in Avallon brodelt von erotischen Intrigen, und König Audrys Erster Lustknabe übt mehr Einfluß aus als der Oberste General Sir Ermice Propyrogeros. Unsere Politik ist daher flexibel. Das mindeste, was wir uns erhoffen, ist höfliches Interesse und eine Wahrnehmung unserer Macht.«
    Trewan runzelte die Stirn und spitzte den Mund. »Warum sollen wir uns mit Halbheiten bescheiden? Ich würde darauf hoffen, in meinen Unterredungen so nah wie möglich an das Maximalziel heranzukommen. Ich schlage vor, daß wir unsere Strategie dahingehend ausrichten.«
    Sir Famet legte den Kopf zurück, lächelte dünn gegen den Abendhimmel und trank einen Schluck Wein aus seinem Humpen. Dann stellte er das Trinkgefäß hart auf die Tischplatte zurück. »König Granice und ich haben sowohl die Strategie als auch die Taktik festgelegt, und wir werden uns strikt an diese Vorgehensweise halten.«
    »Natürlich. Dennoch, zwei Köpfe sind besser als einer« – Trewan redete an Aillas vorbei, als ob dieser überhaupt nicht anwesend wäre – »und es gibt sicherlich Spielraum in unserer Verhandlungsführung.«
    »Wenn die Umstände es erlauben, werde ich mich mit Prinz Aillas und dir beraten. König Granice hat eine solche Schulung auch für euch beabsichtigt. Ihr werdet bei gewissen Gesprächen zugegen sein. Dabei werdet ihr zuhören, jedoch niemals selbst das Wort ergreifen, solange ich euch nicht dazu auffordere. Ist das klar, Prinz Aillas?«
    »Absolut, Herr.«
    »Prinz Trewan?«
    Trewan machte eine knappe Verbeugung, deren Wirkung er jedoch sofort mit einer verbindlichen Geste abzumildern suchte. »Natürlich stehen wir unter Eurem Befehl, Herr. Ich will auch meine persönlichen Ansichten nicht in den Vordergrund stellen, dennoch hoffe ich, daß Ihr mich über alle Verhandlungen und Verpflichtungen in Kenntnis setzt, da ja letzten Endes ich es bin, der sich mit den Folgen auseinanderzusetzen hat.« Sir Famet antwortete mit einem kühlen Lächeln: »Was das betrifft, Prinz Trewan, so werde ich mein Bestes tun, Euch gefällig zu sein.«
    »In dem Fall«, erklärte Trewan herzlich, »gibt es dazu nichts mehr zu sagen.«
    Am späten Vormittag tauchte Backbord voraus eine kleine Insel auf. Eine Viertelmeile weiter wurden die Schoten gefiert, und das Schiff verlor an Fahrt. Aillas schlenderte zum Oberbootsmann, der an der Reling stand. »Warum halten wir an?«
    »Dort liegt Mlia, die Nixeninsel. Schaut genau hin; manchmal kann man sie auf den unteren Felsen sehen oder sogar am Strand.«
    Ein aus alten Holzresten gefertigtes Floß wurde am Ladebaum befestigt und mit Gläsern voll Honig und Kisten mit Rosinen und getrockneten Aprikosen bepackt. Das Floß wurde zu Wasser gelassen und begann davonzutreiben. Als Aillas hinunterschaute, sah er durch das klare Wasser, wie sich etwas auf das Floß zubewegte: eine verschwommene, bleiche Gestalt, das Gesicht nach oben gewandt, eine Schleppe langen Haares hinter sich herziehend. Es war ein seltsam schmales Gesicht mit durchsichtigen schwarzen Augen, einer langen, dünnen Nase und einem Ausdruck, der Wildheit oder Gier oder Erregung oder auch Freude bedeuten mochte. Es war ein Ausdruck, für den es in Aillas' Erlebnishintergrund keinen Präzedenzfall gab.
    Mehrere Minuten lang trieb die
Smaadra
ruhig auf dem Wasser. Das Floß glitt, langsam zuerst, dann zielstrebig und unter leichten Ruck- und Stoßbewegungen, auf die Insel zu.
    Aillas stellte dem Oberbootsmann eine zweite Frage: »Was würde geschehen, wenn wir mit den Geschenken direkt auf der Insel landeten?«
    »Wer kann das sagen, Herr? Wenn Ihr es wagtet, Euer Boot ohne solche Geschenke an den Strand zu rudern, würde Euch gewiß Unheil widerfahren. Es ist nur klug, dem Meeresvolk mit Höflichkeit zu begegnen. Schließlich gehört das Meer ihnen. Doch nun ist es Zeit, wieder Fahrt aufzunehmen. Ahoi, ihr da hinten!

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