Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
der jungen Frau; von blassem Oliv war ihre Haut. Shimrod fand, daß sie von exquisiter Schönheit sei. Dazu eignete ihr etwas gleichermaßen Geheimnisvolles wie Herausforderndes, nicht so sehr offen und augenfällig indes als vielmehr ihrer Existenz innewohnend. Als sie vorüberging, warf sie Shimrod ein schwermütiges Halblächeln zu, weder einladend noch abweisend. Dann ging sie weiter und verschwand aus seinem Blick. Shimrod wälzte sich im Schlaf und erwachte.
Der zweite Traum war der gleiche, nur daß Shimrod diesmal das Mädchen anrief und es einlud, zu ihm auf die Terrasse zu kommen. Es zögerte einen Moment, dann schüttelte es lächelnd den Kopf und ging weiter.
In der dritten Nacht blieb es stehen und sprach: »Warum rufst du mich, Shimrod?«
»Ich möchte, daß du stehenbleibst und dich zumindest mit mir unterhältst.«
Das Mädchen erhob Bedenken. »Ich glaube nicht. Ich weiß nur sehr wenig von den Männern, und ich habe Angst, denn ich spüre eine seltsame Regung, wenn ich hier vorbeikomme.«
In der vierten Nacht blieb das Mädchen stehen, zögerte, und dann näherte es sich langsam der Terrasse. Shimrod eilte hinunter, um ihr entgegenzugehen, doch sie blieb stehen, und Shimrod fand, daß sie nicht näher zu ihm herankommen konnte, was ihm im Zusammenhang des Traumes auch gar nicht unnatürlich erschien. Er fragte: »Willst du heute mit mir sprechen?«
»Ich weiß nichts, das ich dir erzählen könnte.«
»Warum gehst du am Strand entlang?«
»Weil es mir gefällt.«
»Woher kommst du, und wohin gehst du?«
»Ich bin ein Geschöpf deiner Träume. Ich komme in die Gedanken und gehe aus den Gedanken.«
»Traumwesen oder nicht – komm näher, und bleibe bei mir. Da dies mein Traum ist, mußt du gehorchen.«
»Das ist nicht die Natur der Träume.« Als sie fortging, warf sie noch einen Blick zurück über die Schulter, und als Shimrod schließlich aufwachte, konnte er sich genau an den Ausdruck in ihrem Gesicht erinnern. Zauber! Doch zu welchem Zwecke?
Shimrod ging hinaus auf die Wiese und betrachtete den Fall unter jedem nur erdenklichen Aspekt. Irgend jemand umgarnte ihn auf raffinierte Weise mit einer süßen Verlockung und zweifelsohne zu seinem letztendlichen Nachteil. Wer mochte der Urheber eines solchen Zaubers sein? Shimrod forschte unter den Personen nach, die ihm bekannt waren, aber keine davon konnte einen Grund haben, ihn mit einem so fremdartigen schönen Mädchen zu betören.
Er kehrte in sein Arbeitszimmer zurück und versuchte, eine Prophezeiung zu stellen, aber es fehlte ihm an der nötigen Gelassenheit, und das Bild zerstob vor seinen Augen.
Er saß bis tief in die Nacht in seinem Arbeitszimmer, während ein kalter dunkler Wind seufzend durch die Bäume hinter dem Haus strich. Der Gedanke an Schlaf bereitete ihm gleichzeitig böse Vorahnungen und ein prickelndes Gefühl von Vorfreude, das er zu unterdrücken versuchte, jedoch ohne Erfolg. »Nun gut«, sagte sich Shimrod in einer Aufwallung von trotziger Kühnheit, »sehen wir der Sache ins Auge und schauen, was passiert.«
Er legte sich auf sein Bett. Der Schlaf kam nur langsam. Stundenlang wälzte er sich in einem unruhigen Dämmerzustand hin und her, nervös hochfahrend bei jedem Trugbild, das seinen halbwachen Geist heimsuchte. Schließlich schlief er ein. Der Traum kam sofort. Shimrod stand auf der Terrasse, das Mädchen kam den Strand herauf. Arme und Füße waren wie immer bloß, das schwarze Haar wehte im Wind. Es näherte sich ohne Hast. Shimrod wartete unerschütterlich, den Oberkörper auf die Balustrade gelehnt. Ungeduld zu zeigen war eine schlechte Taktik, auch in einem Traum. Das Mädchen kam näher. Shimrod stieg die weiße Marmortreppe hinunter.
Der Wind erstarb, und auch die Brandung. Das dunkelhaarige Mädchen blieb stehen und wartete. Shimrod näherte sich ihm. Ein Hauch von Parfüm wehte ihm entgegen: der Duft von Veilchen. Die beiden standen jetzt nur noch eine Elle voneinander entfernt. Shimrod hätte sie berühren können.
Sie schaute ihm ins Gesicht und lächelte ihr versonnenes Halblächeln. Dann sprach sie: »Shimrod, ich kann dich nicht mehr besuchen.«
»Was hindert dich?«
»Meine Zeit ist knapp. Ich muß an einen Ort hinter dem Stern Achernar reisen.«
»Gehst du aus freien Stücken dorthin?«
»Ich bin verzaubert.«
»Sag mir, wie ich diesen Zauberbann brechen kann!«
Das Mädchen schien unschlüssig. »Nicht hier.«
»Wo dann?«
»Ich werde zum Goblinmarkt gehen, willst du mich dort
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