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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Schönheit. Ich erlag deinen Reizen gern. Ich sehnte mich damals so wie heute danach, solch märchenhafte Schönheit und solche Klugheit für mich zu gewinnen. Indem ich hierher kam, ging ich stillschweigend eine Verpflichtung ein. Indem du mich hier triffst, gingst du dieselbe implizite Verpflichtung ein.«
    »Ich gab weder Verpflichtung noch Versprechen.«
    »Auch ich tat dies nicht. Doch nun müssen wir beide dieses Versprechen ablegen, auf daß alles gerecht ausgewogen sei.«
    Melancthe lachte beklommen und rutschte nervös auf der Bank hin und her. »Die Worte werden mir nicht über die Lippen kommen. Ich kann sie nicht aussprechen. Irgendwie bin ich befangen.«
    »Ob deiner Tugend?«
    »Wenn du es so sehen willst, ja.«
    Shimrod beugte sich vor und nahm ihre Hände in seine. »Wenn wir ein Liebespaar sein sollen, dann muß die Tugendhaftigkeit zurückstehen.«
    »Es ist mehr als nur die Tugend allein. Es ist Furcht.«
    »Wovor?«
    »Ich finde es zu sonderbar, um darüber zu sprechen.«
    »Liebe braucht nichts zu sein, das einem Furcht macht. Wir müssen dir diese Angst nehmen.«
    Melancthe sagte leise: »Du hältst meine Hände in deinen.«
    »Ja.«
    »Du bist der erste, der meine Hände hält.«
    Shimrod schaute ihr ins Gesicht. Ihr Mund, rosenrot auf dem blassen Oliv ihres Gesichts, war faszinierend in seiner schwellenden Geschmeidigkeit. Er beugte sich vor und küßte sie, obwohl sie, hätte sie gewollt, nur ihr Gesicht hätte abzuwenden brauchen. Er spürte, wie ihre Lippen unter seinen bebten. Sie zog den Kopf zurück. »Das hatte nichts zu bedeuten!«
    »Es bedeutete nur, daß wir uns als Liebende geküßt haben.«
    »Es war wirklich nichts!«
    Shimrod schüttelte verdutzt den Kopf. »Wer verführt hier wen? Wenn wir auf dasselbe Ziel hinsteuern, dann besteht keine Notwendigkeit für derartige Rätselspiele.«
    Melancthe suchte nach einer Erwiderung. Shimrod zog sie an sich, und er hätte sie ein zweites Mal geküßt, hätte sie sich ihm nicht entzogen. »Zuerst mußt du mir dienen.«
    »In welcher Weise?«
    »Es ist ganz einfach. Im nahegelegenen Wald führt eine Tür nach Irerly. Einer von uns beiden muß durch diese Tür gehen und dreizehn Edelsteine von verschiedener Farbe zurückbringen, während der andere vor dem Eingang wacht.«
    »Das dürfte gefährlich sein. Zumindest für den, der Irerly betritt.«
    »Deshalb kam ich zu dir.« Melancthe stand von der Bank auf. »Komm, ich will dich hinführen.«
    »Jetzt sofort?«
    »Warum nicht? Die Tür befindet sich gleich hier in der Nähe im Wald.«
    »Wohlan denn, geh du voraus.«
    Melancthe blickte Shimrod unsicher von der Seite an. Sein Verhalten kam ihr irgendwie zu glatt vor, zu unkompliziert. Sie hatte mit Beschwörungen gerechnet, mit Forderungen, mit Versuchen, ihr Versprechen und Verpflichtungen abzuringen, denen sie, so fand sie, bisher gut ausgewichen war. »Komm.« Sie führte ihn von der Wiese fort und zu einem kaum benutzten Pfad, der in den Wald führte. Der Pfad verlief gewunden, durch lichtgesprenkelten Schatten, vorbei an Baumstümpfen mit bizarren Pilzwucherungen, zwischen üppigen Teppichen von Schöllkraut, Anemonen, Eisenhut und Glockenblumen hindurch. Die Geräusche hinter ihnen verstummten, und sie waren allein.
    Sie kamen auf eine kleine Lichtung, die im Schatten hoher Birken, Erlen und Eichen lag. Ein Ausbiß schwarzen Gabbros ragte schroff aus einem Teppich Dutzender weißer Belladonnalilien und wuchs zu einer niedrigen Felsenklippe mit einer einzigen steilen Wand an. In dieser Wand aus schwarzem Felsen war eine eisenbeschlagene Tür.
    Shimrod schaute sich auf der Lichtung um. Er lauschte. Er suchte den Himmel und die Baumwipfel ab. Nichts war zu sehen oder zu hören.
    Melancthe ging zu der Tür. Sie zog an dem schweren Knauf; die Tür ging auf. Eine Wand aus glattem Fels trat zutage. Shimrod sah aus einer kleinen Entfernung mit höflichem, wenn auch gleichgültigem Interesse zu.
    Melancthe schaute aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber. Shimrods Interesselosigkeit schien höchst eigenartig. Aus ihrem Umhang zog Melancthe einen seltsamen sechseckigen Gegenstand und berührte damit die Felswand genau in der Mitte. Das Hexagon blieb an dem Stein haften. Gleich darauf löste sich der Fels in leuchtenden Nebel auf. Melancthe trat zurück und drehte sich Shimrod zu. »Durch diese Öffnung gelangt man nach Irerly.«
    »Es ist wirklich eine feine Öffnung. Aber es gibt Fragen, die zu stellen ich nicht umhin kann, wenn ich die Tür

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