Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
zwischen einem Bauer mit schönen jungen Kobolden mit grünen Flügeln und einem Stand, an dem Aphrodisiaka feilgehalten wurden.
Der Tag verging ohne irgendein bemerkenswertes Ereignis; Shimrod kehrte in den Gasthof zurück.
Auch den nächsten Tag verbrachte er müßig, obwohl der Markt jetzt den Höhepunkt seiner Betriebsamkeit erreicht hatte. Shimrod wartete ohne Ungeduld. Es lag in der Natur solcher Affären, daß das Mädchen sein Erscheinen so lange hinauszögern würde, bis Shimrods Unruhe seine Vorsicht unterhöhlt hatte – wenn es überhaupt zu erscheinen geruhte.
Zur Mitte des Nachmittags des dritten Tages betrat das Mädchen die Wiese. Es trug einen langen schwarzen Umhang, der sich über ein lohfarbenes Gewand bauschte. Die Kapuze hatte es zurückgeschoben, so daß der Kranz aus weißen und blauen Veilchen, der sein schwarzes Haar zierte, sichtbar war. Es schaute sich in stirnrunzelnder Verträumtheit auf der Wiese um, so als frage es sich, warum es überhaupt gekommen sei. Sein Blick fiel auf Shimrod, schweifte vorbei, kehrte zweifelnd zurück.
Shimrod erhob sich von seiner Bank und ging auf das Mädchen zu. Mit freundlicher Stimme sprach er: »Traum-Mädchen, hier bin ich.«
Den Kopf leicht zur Seite gedreht, blickte sie ihn über die Schulter an, im Gesicht wieder das schon fast vertraute Halblächeln. Langsam drehte sie sich ihm zu. Sie schien Shimrod nun etwas selbstbewußter, mehr eindeutig ein Wesen aus Fleisch und Blut als das Mädchen von abstrakter Schönheit, das ihm in seinen Träumen begegnet war. Sie sprach: »Auch ich bin hier, wie versprochen.«
Shimrods Geduld war durch das Warten auf die Probe gestellt worden. Fast streng bemerkte er: »Du scheinst keine übergroße Eile gehabt zu haben.«
Das Mädchen zeigte nur Belustigung. »Ich wußte, daß du warten würdest.«
»Wenn du nur gekommen bist, um meiner zu spotten, dann bin ich nicht sehr erfreut.«
»Ob du dich freust oder nicht, nun bin ich hier.«
Shimrod betrachtete sie mit analytischer Distanz, was ihr Unbehagen zu bereiten schien. »Warum schaust du mich so an?«
»Ich frage mich, was du von mir willst.«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Du bist auf der Hut. Du traust mir nicht.«
»Du würdest mich für einen Dummkopf halten, wenn ich es täte.«
Sie lachte. »Aber für einen tapferen und leichtsinnigen Dummkopf.«
»Es war tapfer und leichtsinnig von mir, überhaupt hierher zu kommen.«
»In unserem Traum warst du nicht so mißtrauisch.«
»Dann träumtest du also auch nur, als du am Strand entlanggingst?«
»Wie könnte ich dir im Traum erscheinen, wenn du mir nicht in meinem erschienest? Aber du darfst keine Fragen stellen. Du bist Shimrod, ich bin Melancthe. Wir sind zusammen, und das kennzeichnet und umgrenzt unsere Welt.«
Shimrod ergriff ihre Hände und zog sie ein Stück näher zu sich heran. Der Duft von Veilchen schwängerte die Luft zwischen ihnen. »Jedesmal, wenn du sprichst, enthüllst du ein neues Paradoxon. Wie konntest du wissen, daß ich Shimrod heiße? Ich habe in meinen Träumen keine Namen genannt.«
Melancthe lachte. »Sei vernünftig, Shimrod! Ist es wahrscheinlich, daß ich jemandem im Traum erscheine, dessen Namen ich nicht einmal weiß? Das würde sowohl gegen das Gebot der Höflichkeit als auch gegen das der Schicklichkeit verstoßen.«
»Das ist ein erstaunlicher und neuer Gesichtspunkt«, sagte Shimrod. »Ich bin überrascht, daß du dich so keck vorgewagt hast. Du mußt wissen, daß in Träumen Schicklichkeit oft mißachtet wird.«
Melancthe legte den Kopf schief, schnitt eine Grimasse und zuckte mit den Schultern, ganz wie ein albernes junges Mädchen. »Ich würde mich vor unanständigen Träumen hüten.«
Shimrod führte sie zu einer Bank, die ein wenig abseits vom Getriebe des Marktes stand. Die zwei saßen einander halb zugewandt, ihre Knie berührten sich fast.
Shimrod sagte: »Ich muß die Wahrheit wissen, die ganze Wahrheit!«
»Warum, Shimrod?«
»Wenn ich keine Fragen stellen darf, oder – präziser ausgedrückt – wenn du mir keine Antworten gibst, wie sollte ich da in deiner Gegenwart kein Unbehagen oder Mißtrauen empfinden?«
Sie beugte sich einen halben Zoll näher zu ihm herüber, und erneut spürte er den intensiven Veilchenduft. »Du kamst hierher aus freien Stücken, um jemanden zu treffen, den du bisher nur aus deinen Träumen kanntest. War das nicht ein Akt der Verbindlichkeit?«
»In gewisser Hinsicht, ja. Du betörtest mich mit deiner
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