Lyonesse 2 - Die grüne Perle
bei flüchtigem Hinsehen seinen Geist bezauberte.
Eine Stimme, dünn und klar, sprach: »Niederes Menschenwesen, sterblicher Menschenwurm, zudringlicher, lästiger Menschenwurm: Warum tust du, was du getan hast?«
Vishbume schaute hierhin und dorthin, Verblüffung mimend. Dann sprach er, den Blick himmelwärts gerichtet: »Wie seltsam der Wind die Blätter rascheln läßt! Fast glaubte ich, eine Stimme zu hören! Ach, Stimme des Windes, sprich und erzähl mir von deinen stürmischen Fahrten! Sprich, Wind!«
»Narr! Der Wind kann nicht sprechen!«
»Ich habe eine Stimme vernommen! Stimme, hast du gesprochen? Wenn ja, sei brav und zeig dich! Ich kann mich nicht blindlings bloßstellen!«
»So schau denn, Sterblicher, und sieh, was du siehst.«
Die Nebelschwaden wirbelten davon und gaben den Blick auf die volle Pracht des Elfenschlosses frei. Eine Schar von Elfen umringte Vishbume, einige sitzend, andere im Gras sich versteckend. Zwanzig Fuß von ihm entfernt standen König Throbius und Königin Bossum in vollem königlichen Staat. Throbius trug eine Krone aus Sceleone, jenem überaus zarten Material, geschmiedet aus vom Wasser widergespiegelten Mondlichtstrahlen. Schlanke Zacken, welche die Krone umringten, endeten in blaßblauen Saphiren. Throbius' Mantel bestand aus blauem, aus dem Flaum von Weidenkätzchen gewobenem Samt; er endete in einer zehn Fuß langen Schleppe. Diese wurde getragen von sechs rundgesichtigen schiefäugigen Kobolden, die mit gerümpften Nasen verstohlen schmunzelten. Einige bummelten, andere zerrten an der Schleppe, um die Bummler mitzuziehen; manchmal spielten sie schalkhaft Tauziehen mit der Schleppe, immer mit einem Auge auf Throbius, um sofort innehalten zu können, sollte ihr Spiel entdeckt werden.
Königin Bossums Mantel war safrangelb, satt wie frische Butter, und ihre Krone war mit Prismen aus Topas besetzt. Ihre Schleppe wurde von jungen Koboldinnen getragen, deren Benehmen von steifer Korrektheit war und die die Possen von Throbius' Schleppenträgern mit hochmütiger Mißbilligung beobachteten.
Direkt vor König Throbius und Königin Bossum stand Brean, der Königliche Herold, der nun erneut die Stimme erhob: »Sterblicher, weißt du, daß du widerrechtlich auf der Madling-Wiese stehst? Siehe, ihre Majestäten König Throbius und Königin Bossum! Erklär den königlichen Ohren und denen der hier versammelten Notabeln den Zweck deines unbefugten Aufenthaltes hier auf dieser Wiese, die wir zu unserer Sphäre zählen!«
Vishbume vollführte eine Verbeugung mit sechs Schnörkeln. »Unterrichtet ihre Majestäten, wie stolz und glücklich ich mich schätze, daß sie geruht haben, meine kleine Verknüpfung wahrzunehmen, welche in Wahrheit eine Verbindung ins Hai-Hao ist.«
Der Herold übermittelte die Botschaft; König Throbius antwortete, und der Herold wandte sich erneut Vishbume zu. »Ihre Magnifizenzen wünschen deinen Namen und deinen weltlichen Status zu erfahren, auf daß sie dein Benehmen gerecht zu bewerten vermögen und dir die gebührende Strafe für dein Vergehen zumessen können, wenn es denn ein Vergehen sein sollte.«
»Vergehen? Gewiß liegt hier keine Schuld vor!« krähte Vishbume in entrüstetem Meckertenor. »Ist dies nicht die Stangle-Wiese 15 , wo ich meinen wunderbaren Nexus erproben darf?«
»Törichter Menschenwurm! Du hast deinen Schnitzer gar verzwiefacht! Solche Worte dürfen in der Gegenwart von Unsterblichen nicht geäußert werden; dies wird als geschmacklos erachtet. Zweitens ist dies nicht die Stangle-Wiese, sondern vielmehr die friedliche Madling-Wiese, und vor dir liegt Thripsey Shee.«
»Ah! Es scheint, daß ich einen Mißgriff getan habe. Hierfür bitte ich um Verzeihung. Ich weiß von Thripsey Shee und seinem bemerkenswerten Volk; hat es nicht sogar das Königshaus von Lyonesse um die Prinzessin Madouc bereichert?«
Brean, der Herold, blickte unsicher auf König Throbius, der Vishbume einen Wink gab. »Tritt näher, Sterblicher! Warum hast du deinen Nexus auf unserer Wiese errichtet?«
»Ich bin, wie es scheint, in die Irre gelaufen, Majestät; die Verknüpfung war nicht für die Madling-Wiese vorgesehen, trotz ihrer mannigfaltigen Reize und Zauber. Aber ich frage mich, was aus dem Knaben geworden sein mag, den Ihr vor fünf Jahren so weise aufzogt; wo ist er jetzt? Ich spräche gern mit ihm.«
»Von welchem Knaben redest du?« fragte König Throbius. Dann, nachdem Königin Bossum ihm ins Ohr geflüstert hatte: »Er ist weg; er ist fort
Weitere Kostenlose Bücher