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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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hervor, dann trat er aus dem Schatten der Bäume und schritt ins helle Sonnenlicht. Die Stille schien noch tiefer als zuvor.
    Vishbume marschierte zuversichtlich über die Wiese und schaute weder nach rechts noch nach links. Bei dem Hügel blieb er stehen. Da spürte er, wie ihn etwas am Mantel zupfte. Vishbume schenkte dem keine Beachtung. Er nahm das Knäuel roten Garns und knotete ein Ende an einen tiefhängenden Zweig des alten Eichenbaumes.
    Von der Rückseite des Hügels her ertönte ein leises miauendes Lachen, das rasch wieder erstarb. Vishbume tat, als hätte er es nicht gehört. Er wandte sich um und ging, behutsam das rote Garn abwikkelnd, auf zwei junge Birkenschößlinge zu, die nicht weit vom Rande der Wiese entfernt sprossen. Von hinten kam ein Rascheln, begleitet von unterdrücktem Wispern. Vishbume achtete nicht auf die Geräusche. Wieder verspürte er ein Zupfen am Mantel; wie schon zuvor schenkte er dem keine Beachtung und schritt weiter über die Wiese, den roten Faden hinter sich zurücklassend. Vor den Birkenschößlingen blieb er stehen und warf das nun merklich kleiner gewordene Knäuel roten Garnes zwischen sie. Sodann nahm er das blaue Garn zur Hand und befestigte es gemäß Tamurellos Anweisung an der Haspel. Dann rollte er das blaue Garnknäuel hinter dem roten her, warf die Haspel in die Luft und rief: »Haspel, tu dein Werk!«
    Tamurellos Liste von Mahnungen und Ratschlägen eingedenk, tänzelte Vishbume auf flinken langen Beinen zur Seite und fort von den Birkenschößlingen. Als er sodann mit halbgeschlossenen Augen auf die Wiese spähte, den Mund zu einem seligen Lächeln geschürzt, kam von irgendwoher plötzlich ein schriller klagender Laut, wie von einer Ahle, die hart über einen scharf gespannten Draht gezogen wird.
    Vishbumes schmale Schulterblätter zwickten und kribbelten vor Neugier, aber noch viel stärker war das Angstgefühl; er zog den Kopf zwischen die Schultern, gleich einem Hund, der den Schwanz zwischen die Beine klemmt. »Ich wäre ein bedauernswerter Narr, schlüge ich Tamurellos Ermahnungen in den Wind!« So sprach Vishbume zu sich. »Und wenn ich alles andere bin, ein Narr bin ich nicht!«
    Etwas trat ihm gegen das Schienbein. Vishbume achtete nicht auf den Tritt. Ein Fingerpaar zwickte ihn ins Hinterteil. Vor Schreck quiekte er laut auf und zuckte zusammen, was ein leises vielstimmiges Kichern auslöste.
    Worte der Empörung drängten sich an Vishbumes Lippen; die Elfen gingen mit ihrem Schabernack allmählich zu weit! Vishbume tänzelte zehn Schritte zur Seite. Vorsichtig wandte er den Kopf und spähte über die Madling-Wiese – und siehe da, Wunder aller Wunder! Durch weißen Nebel, der um den Hügel wallte, erblickte er ein gar wundervolles Schloß aus Pechkohle und Milchglas. Auf schlanken Säulen ruhten Kuppeln und hohe Arkaden und noch höhere Kuppeln, aus welchen weitere Säulen erwuchsen, die wiederum Kuppeln und weitere Arkaden trugen, Stockwerk um Stockwerk, mit hundert Terrassen und Balkonen, und oben, in schwindelnder Höhe auf dem höchsten Gipfel, erhoben sich Türme sonder Zahl, geschmückt mit wehenden Fahnen und flatternden Wimpeln. In den schattigen Sälen hingen mit Diamanten und Mondsteinen verzierte Kronleuchter, die in rotem, blauem, grünem und purpurnem Licht glitzerten ... All dies glaubte Vishbume zu sehen, doch sobald er versuchte, eine der Formen mit dem Blick festzuhalten, verschwamm sie und löste sich in wallenden Nebel auf.
    Andere Formen nahmen Gestalt an. Den Strang roten Garnes, den Vishbume über die Wiese gelegt hatte, nahm er jetzt als eine Elfenallee aus spiegelblank poliertem roten Porphyr wahr, die von zwei prachtvollen Balustraden gesäumt war. Auf dieser Allee tollten Elfen auf und ab, schlitterten vergnügt über den blanken Grund, deuteten erst auf das Muster der Haspel, dann auf den Elfenhügel. Andere tanzten und hüpften, närrische Possen reißend, auf den Balustraden herum, und alle schienen höchst angetan von dieser wundervollen Neuheit. Weiter vorn, in größerer Nähe zu Vishbume, saßen, in staunender Bewunderung das Werk der Haspel betrachtend, Gruppen von Elfen. Einige von ihnen piesackten, zwickten, knufften oder hänselten sich gegenseitig oder tollten schlicht zwischen den Grashalmen herum, doch der weit überwiegende Teil studierte staunend das von der Haspel geschaffene Muster. Aus dem Augenwinkel und beinahe jenseits seines Wollens nahm Vishbume eine höchst eigenartige Konfiguration wahr, die selbst

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