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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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einem rauhen Schilfbüschel ab.
    Ein Geräusch ließ ihn aufblicken. Er entdeckte einen großen dürren Mann mit schmalem Gesicht, einem langen knochigen Kinn und einer kräftigen Hakennase, der auf der Brücke stand. Ein Hut, der aussah wie eine hohe Krone, mit roten und weißen Bändern umwickelt, ließ erkennen, daß er zum Stand der Barbiere und Schröpfer gehörte.
    Sir Tristano kümmerte sich nicht um die aufmerksame Musterung, der er da von oben unterzogen wurde; er wickelte die Perle in ein Stück Tuch und stopfte sie in seinen Beutel. Dann stieg er wieder zur Straße hinauf.
    Der Barbier stand jetzt bei seinem Karren; er nahm den Hut ab und verbeugte sich einigermaßen unterwürfig. »Herr, erlaubt mir, Euch zu sagen, daß ich Elixiere gegen Eure Gebrechen feilzubieten habe. Ich schneide Euch auch das Haar, schabe Euch den Bart, schneide noch die widerspenstigsten Zehennägel, steche Furunkel, säubere die Ohren und kann Euch schröpfen. Was ich dafür verlange, ist angemessen, wenn auch nicht billig; Ihr werdet Euer Geld gleichwohl einem guten Zweck zugeführt haben.«
    Sir Tristano stieg auf sein Pferd. »Ich brauche weder Eure Elixiere noch Eure Dienste. Guten Tag.«
    »Einen Augenblick, Herr. Darf ich fragen, wohin Ihr wollt?«
    »Nach Avallon in Dahaut.«
    »Da habt Ihr einen weiten Weg. Es gibt ein Gasthaus im Dorfe Toomish, aber ich schlage vor, Ihr reitet weiter nach Phaidig, wo die Taverne Krone und Einhorn zu Recht berühmt ist für ihre Hammelpasteten.«
    »Danke. Ich werde Euren Rat im Gedächtnis behalten.«
    Als Sir Tristano drei Meilen weit geritten war, gelangte er nach Toomish, und wie der Barbier – der lange Liam war sein Name – vorhergesagt hatte, schien das Wirtshaus dort keine besonderen Annehmlichkeiten zu bieten. Zwar neigte sich der Nachmittag seinem Ende zu, aber Sir Tristano ritt doch weiter auf der Straße nach Phaidig.
    Die Sonne versank hinter einer Wolkenbank, und zur gleichen Zeit führte die Straße in einen tiefen Wald. Stirnrunzelnd spähte Sir Tristano in die Düsternis. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder ritt er weiter in den bedrohlich finsteren Wald hinein, oder er kehrte nach Toomish und seiner wenig gastlichen Schänke zurück.
    Sir Tristano hatte sich rasch entschieden. Er spornte sein Pferd zum Trab an und ritt in den Wald hinein. Aber nach einer halben Meile hielt das Pferd an; Sir Tristano sah, daß die Straße mit einer Barrikade aus Pfählen versperrt war.
    »Die Arme in die Höhe!« befahl eine Stimme hinter ihm. »Es sei denn, du willst einen Pfeil in den Rücken bekommen.«
    Sir Tristano hob die Hände.
    »Nicht umdrehen, nicht zur Seite blicken und keine Hinterhältigkeiten!« befahl die Stimme. »Mein Kamerad wird jetzt zu dir kommen; ich aber beobachte euch an meinem Pfeil entlang. Also, Padraig, geh an die Arbeit! Wenn er auch nur zuckt, laß ihn deine Rasierklinge – ich meine, dein Messer spüren.«
    Vorsichtige Schritte raschelten auf der Straße; dann zogen Hände an den Riemen, mit denen Sir Tristanos Börse an den Gürtel gebunden war.
    »Halt!« sagte Sir Tristano. »Du nimmst die grüne Perle.«
    »Freilich«, antwortete eine Stimme dicht hinter ihm. »Das ist der Sinn der Sache bei einem Straßenraub: Man setzt sich in den Besitz der Wertsachen seines Opfers.«
    »Jetzt habt ihr alle meine Wertsachen. Darf ich weiterreiten?«
    »Keinesfalls! Wir wollen ja auch dein Pferd und deine Satteltaschen.«
    Sir Tristano war jetzt sicher, daß er es mit einem einzelnen Strauchdieb zu tun hatte. Er gab seinem Pferd die Sporen, beugte sich vor und ritt holterdipolter um die Straßensperre herum. Als er sich umschaute, sah er einen sehr großen Mann in einem schwarzen Mantel, dessen Gesicht im Dunkel einer Kapuze verborgen war. Der Mann hatte einen Bogen über der Schulter hängen; er riß ihn jetzt herunter und ließ einen Pfeil von der Sehne sausen, aber das Licht war schlecht, das Ziel flüchtig und der Abstand groß: Der Pfeil schwirrte harmlos durch das Laub davon.
    Sir Tristano galoppierte immer weiter, bis er den Wald hinter sich gelassen hatte und vor seinem Verfolger sicher war. Er ritt leichten Herzens: In seiner Börse hatte er außer der grünen Perle nur zwei oder drei kleine Silbermünzen und ein halbes Dutzend Kupfergroschen gehabt. Sein Gold trug er, um gegen just solche Zwischenfälle gewappnet zu sein, in einem geschlitzten Gürtel.
    Die Abenddämmerung ertränkte die Landschaft in purpurgrauen Schatten, bevor Sir Tristano in Phaidig

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