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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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dies beobachtete, wurde umgehend still.
    Aus der Blase kam ein leises Stimmchen, so fein und schwach, daß sie sich vornüberbeugen mußte, um es zu hören.
    Die Botschaft war kurz; Melancthe lehnte sich zurück und zog verärgert die Mundwinkel herunter. Mit einer sanften Berührung des Zeigefingers ließ sie die Blase zerplatzen. »Schon wieder«, murmelte sie leise bei sich. »Schon wieder muß ich purpurnes Feuer benutzen, um dieses eisige meergrüne Monument zum Anstand zu erwärmen. Aber ich brauche nicht eines mit dem anderen zu mengen – es sei denn, die Laune überkommt mich.« Sie betrachtete ihre Blume und sog ihren Duft ein, während weit weg in Trilda Shimrod, der gerade eine alte Tasche in seinem Arbeitszimmer studierte, von einem Schaudern des Unbehagens heimgesucht wurde.
    Shimrod legte die Tasche zur Seite und richtete sich langsam auf. Er schloß die Augen, und in seinen Geist drang das Bild Melancthes. Sie schwebte in dunklem Wasser dahin, nackt und entspannt, das Haar wie eine lose Schleppe hinter sich her ziehend.
    Shimrod schlug die Augen auf und runzelte die Stirn. Auf einer elementaren Ebene war das Bild erregend; auf einer anderen Ebene erweckte es bloß Skepsis.
    Shimrod sann einen Moment in der Stille seines Arbeitszimmers, dann streckte er die Hand aus und klopfte an eine kleine silberne Glocke.
    »Sprich!« sagte eine Stimme.
    »Melancthe ist in meinen Geist gedrungen, in einem Strom dunklen Wassers schwebend«, sagte Shimrod. »Sie trug keine Kleider. Sie brach in meine Studien ein und brachte mein Blut in Wallung; dann verschwand sie wieder, ein Lächeln kühler Anmaßung zur Schau tragend. Sie hätte sich die Mühe nicht gemacht, verfolgte sie nicht einen bestimmten Zweck.«
    »In dem Fall finde heraus, was sie bezweckt. Dann werden wir besser wissen, wie wir reagieren.«
    »Heute ist Freamas«, sagte Shimrod. »Sie wird auf dem Markt bei Twittens Kreuzweg sein.«
    »Dann begebe dich zu Twittens Kreuzweg.«
    »Sehr gut; das werd ich tun.«
    Shimrod holte weitere Bücher und Mappen und legte sie auf seinen Arbeitstisch. Beim Schein einer einzelnen dicken Kerze blätterte er die schweren Pergamentseiten um, bis er auf den Text stieß, den er suchte. Er las mit aller Konzentration und speicherte die beißenden Silben in seinem Geiste, während eine Motte die Kerzenflamme umkreiste und schließlich mit einem leisen
Puff!
verbrannte.
    Shimrod packte seinen Ranzen. Seine Vorbereitungen waren abgeschlossen. Er ging zur Tür hinaus, stellte sich auf den Pfad, sprach ein paar Worte, schloß die Augen und ging drei Schritte zurück. Als er die Augen wieder aufschlug, stand er neben dem hohen eisernen Pfahl, welcher Twittens Kreuzweg markierte, im Herzen des Waldes von Tantrevalles. Die Dämmerung war der Nacht gewichen; weiße Sterne blitzten durch das Blattwerk der Bäume. Fünfzig Schritte nach Osten fiel freundliches gelbes Licht aus den Fenstern des Gasthofs
Zur Lachenden Sonne und zum Weinenden Mond
auf den Pfad, und Shimrod lenkte seine Schritte in diese Richtung.
    Die Tür des Gasthofs stand offen, um die Nachtluft hereinzulassen. Zur Linken stand Hockshank hinter seiner Theke, damit beschäftigt, eine Keule aus einem Reh herauszuschneiden; die Tische, Bänke und Stühle waren am heutigen Abend dicht besetzt. In einer dunklen Ecke im rückwärtigen Teil des Raumes entdeckte Shimrod die ruhige Gestalt Melancthes. Sie saß da und starrte auf ihr Weinglas, offenbar ganz in ihre Gedanken vertieft; sie schien Shimrods Erscheinen nicht zu bemerken.
    Shimrod schlenderte zur Theke.
    Hockshank schaute ihn mit einem prüfenden Blick aus seinen goldenen Augen an; Halblingblut floß in Hockshanks Adern. Sein fellähnliches Haar hatte die Farbe verfaulenden Strohs; er stand leicht vornüber-gebeugt; seine Füße waren mit graugelbem Fell bedeckt, und anstelle von Zehennägeln hatte er kleine schwarze Krallen. Hockshank sagte: »Ich glaube Euch von einem früheren Besuch her zu kennen, aber ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis. Wie auch immer, ich muß Euch gleich sagen, solltet Ihr eine Unterkunft für die Nacht suchen, es ist alles belegt.«
    »Ich bin Shimrod, von Trilda. In der Vergangenheit haben wir durch sorgfältiges Nachdenken oder auch durch Verlegen gewisser Gäste in den Stall stets noch eine Kammer zu meinem Nutzen und eurem Gewinn gefunden, so daß sich die Mühe für beide gelohnt hat.«
    Ohne in seiner Arbeit innezuhalten, sagte Hockshank: »Shimrod, ich erinnere mich, daß Ihr

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