Lyonesse 2 - Die grüne Perle
Glyneth, wenn ich mich nicht irre. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: deine Anwesenheit vergrößert die Schönheit dieser ohnehin schon bezaubernden Landschaft in nicht unbeträchtlichem Maße.«
Glyneth zog die Nase kraus und schürzte die Lippen, aber sie wußte nichts zu erwidern, was nicht unhöflich oder patzig geklungen hätte.
Vishbume fuhr in demselben affektierten Tonfall wie zuvor fort: »Ich darf mich vorstellen: Sir Vishbume ist mein Name. Ich bin ein Ritter von herausragendem Range, versiert in allen ritterlichen Tugenden und in allen höfischen Künsten, die jetzt in Aquitanien in großer Mode sind. Du wirst enormen Vorteil aus meinem Schutz und meinen Belehrungen ziehen.«
»Das ist sehr freundlich von Euch, Herr Ritter«, sagte Glyneth. »Ich hoffe, Ihr werdet mich sogleich belehren, wie ich zum Wald zurückfinde. Ich muß rasch nach Watershade zurück, sonst wird Dame Flora sich große Sorgen machen.«
»Das ist eine eitle Hoffnung«, sagte Vishbume würdevoll. »Dame Flora muß ein Mittel finden, ihre Sorge zu lindern. Das Tor funktioniert nur in einer Richtung, und wir müssen erst das entsprechende Schlupfloch ausfindig machen, welches uns die Rückkehr gestattet.«
Glyneth spähte besorgt in alle Richtungen. »Wie findet man dieses Schlupfloch? Wenn Ihr es mir sagt, will ich es sogleich suchen.«
»Das hat keine Eile«, sagte Vishbume mit einer Spur von Schroffheit in der Stimme. »Ich betrachte dies als eine entzückende Gelegenheit; niemand kann uns stören, wie es sonst leider so oft der Fall ist! Wir werden es uns behaglich machen und uns einander an unseren Fähigkeiten erfreuen. Ich bin wohl bewandert in Dutzenden von Künsten; du wirst vor Freude und Glück in die Hände klatschen!«
Glyneth warf Vishbume einen raschen, ängstlichen Seitenblick zu und schwieg gedankenvoll ... Vishbume war womöglich unweltlich. Vorsichtig bemerkte sie: »Ihr scheint gar nicht beunruhigt von diesem fremden Ort! Wäret Ihr nicht lieber daheim bei Eurer Familie?«
»Aber ich habe keine Familie! Ich bin ein fahrender Minnesänger; ich kenne Musik, die dein Blut in Wallung bringt und dir in die Glieder fährt, daß du gleich aufspringen und tanzen möchtest!« Vishbume zog eine kleine Fidel und einen ungewöhnlich langen Bogen aus seinem Ranzen und spielte eine flotte, lustige Gigue und tanzte dazu: er hüpfte auf und ab und hin und her, ließ die Beine fliegen, drehte sich im Kreise, warf die Ellenbogen hoch, ohne dabei auch nur einmal aus dem Takt zu geraten.
Schließlich hielt er mit leuchtenden Augen inne. »Warum tanzt du nicht?«
»Ehrlich gesagt, Sir Vishbume, ich sorge mich, wie ich nach Hause finden soll. Bitte, könnt Ihr mir helfen?«
»Wir werden sehen, wir werden sehen«, sagte Vishbume munter. »Komm, setz dich zu mir und erzähl mir was.«
»Herr, laßt mich Euch nach Watershade geleiten; dort können wir uns nach Lust und Laune unterhalten.«
Vishbume hob abwehrend die Hand. »Nein, nein! Ich kenne mich aus mit klugen jungen Damen, die ›ja‹ sagen, wenn sie ›nein‹ meinen, und die ›nein‹ sagen, wenn sie meinen ›Bitte, bitte, Vishbume!‹ Ich wünsche hier mit dir zu reden, wo Offenheit dich zu meinem absoluten Liebling machen wird, und wird das nicht ein wahrer Hochgenuß sein? Nun komm schon her und setz dich zu mir; ich will das Gefühl deiner köstlichen Nähe genießen!«
»Sir Vishbume, ich möchte lieber stehen. Sagt mir, was ihr wissen möchtet.«
»Ich bin neugierig, mehr über Prinz Dhrun und seine frühe Jugend zu erfahren. Man möchte meinen, er ist ungewöhnlich alt an Jahren für einen solch jungen Vater.«
»Herr, die Betroffenen werden gewiß nicht wollen, daß ich mit Wildfremden über ihre Angelegenheiten tratsche.«
»Aber ich bin doch kein Fremder! Ich bin Vishbume, und ich fühle mich sehr angezogen von deiner jugendfrischen Schönheit! Hier in Tanjecterly gibt es niemanden, der krittelt und nörgelt und die Nase rümpft und ›Unverschämtheit‹ und ›Schamlosigkeit!‹ ruft! Wir können in den gewagtesten Vertraulichkeiten schwelgen ... Aber ach, ich habe vielleicht schon zuviel angedeutet! Denk allein an meine Suche nach der Wahrheit! Ich brauche nur einige wenige Fakten, um meine Neugier zu befriedigen. Sag's mir, meine Teure, komm, sag's mir!«
Glyneth bemühte sich, gelassen zu erscheinen.
»Besser, wir kehren nach Watershade zurück, Ihr und ich! Dort könnt Ihr Dhrun selbst Fragen stellen, und er wird Euch gewiß eine
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