Lyonesse 2 - Die grüne Perle
König Casmir ein Zeichen. Casmir schaute ihn an und erkannte in ihm jene Person wieder, die ihm als Valdez bekannt war.
König Casmir warf einen sichernden Blick durch die Galerie, dann trat er von Königin Sollace weg und näherte sich dem Livrierten. »Dies also ist Euer Spähposten«, murmelte er. »Ich habe mich schon oft gefragt ...«
»Ihr sähet mich heute nicht hier, hätte ich nicht mit Euch sprechen wollen. Ich werde nicht mehr in die Stadt Lyonesse kommen; ich errege allmählich die Aufmerksamkeit der Fischer.«
»Oh?« König Casmir zog erstaunt die Brauen hoch. »Was werdet Ihr jetzt tun?«
»Ich beabsichtige, ein ruhiges Leben auf dem Lande zu führen.«
König Casmir dachte für einen Moment nach, scheinbar interessiert die Statue betrachtend. »Ihr müßt noch ein letztes Mal nach Lyonesse kommen, damit ich Euch angemessen für Eure Dienste entlohnen kann. Vielleicht können wir ja ein neues System verabreden, aus welchem Ihr Gewinn schöpfen könntet, ohne Euch einer Gefahr aussetzen zu müssen.«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Valdez trocken. »Gleichwohl, wenn jemand auf Haidion meinen Namen spricht, habt acht; er wird Neuigkeiten bringen ... Da naht jemand.«
König Casmir wandte sich ab und schlenderte weiter mit Königin Sollace durch die Galerie.
Nach einer Weile fragte Königin Sollace: »Was schaust du so düster drein?«
König Casmir mühte sich ein Lachen ab. »Vielleicht neide ich König Aillas seine schönen Statuen! Wir müssen sehen, daß wir ähnliche Kunstwerke auf Haidion bekommen.«
»Ein paar hübsche echte Reliquien für meine Kirche wären mir lieber«, sagte Königin Sollace nachdenklich.
König Casmir, ganz in Gedanken versunken, erwiderte geistesabwesend: »Ja, ja, meine Teure; so soll es sein, ganz wie du es wünschst.«
Tatsächlich liefen die Dinge ganz und gar nicht zu König Casmirs Zufriedenheit. Wenn Spione aus seinen Diensten schieden, beendete er die Verbindung gern auf endgültige Weise, um auszuschließen, daß sie ihre Dienste an andere verkauften und ihre Kenntnisse womöglich zu seinem Schaden anwendeten ... Vage nahm er Königin Sollaces aufgeregtes Geplapper wahr: »... die, wie Vater Umphred mir versichert hat, wir am besten sogleich erwerben sollten, ehe der Grund erkannt wird. Er weiß von drei echten Splittern vom Heiligen Kreuz, welche wir in diesem Moment für hundert Kronen das Stück kriegen könnten. Der Heilige Gral selbst befindet sich, wie man weiß, irgendwo auf den Älteren Inseln, und Vater Umphred hatte die Gelegenheit, Landkarten zu erwerben, auf denen genau zu sehen ist ...«
»Frau, was redest du da?« unterbrach Casmir sie barsch.
»Von den Reliquien für die Kathedrale natürlich!«
»Wie kannst du von Reliquien reden, wenn die Kathedrale selbst nicht mehr als ein Hirngespinst ist?«
Königin Sollace sprach mit Würde. »Vater Umphred erklärt, der Herr werde dich mit der Zeit gewiß zur Einsicht bringen.«
»Ha! Wenn der Herr so erpicht auf eine Kathedrale ist, dann soll er sie sich doch selbst bauen!«
»Dafür werde ich beten!«
Eine halbe Stunde später schlenderten König Casmir und Königin Sollace erneut an den Statuen vorbei, aber Valdez war nirgends mehr zu sehen.
Kapitel 4
I
Die
Star Regulus
glitt vom Landungssteg fort und nahm, hart über Backbordbug liegend, Kurs auf die offene See. König Casmir stieg auf das Achterdeck und stellte sich an die Heckreling. Mit hocherhobenem Arm grüßte er die Notabeln am Kai; seine Miene, gelassen und huldvoll, drückte nichts als Zufriedenheit mit dem Verlauf seiner Visite aus.
Die Karracke verließ jetzt den Hafen und gewann das offene Wasser. Sanft hob und senkte sie sich in der Dünung. Casmir stieg die Kajütstreppe hinunter und zog sich in den Hauptsalon zurück. Er ließ sich in dem großen Sessel nieder und grübelte, versonnen aus dem Heckfenster starrend, über die Ereignisse der vergangenen Tage nach.
Nach außen hin und für alle sichtbar war der Besuch exakt nach den Regeln höfischer Etikette verlaufen. Gleichwohl hing ungeachtet des Austauschs öffentlicher Komplimente eine dumpfe Antipathie schwer und düster zwischen den beiden Königen.
Das Ausmaß dieser gegenseitigen Abneigung ließ König Casmir stutzen: Wo lag die Ursache? Casmir verfügte, was Gesichter betraf, über ein präzises Erinnerungsvermögen; er war fast sicher, daß er König Aillas schon einmal gesehen hatte – unter anderen, weniger freundlichen Umständen. Lange Jahre zuvor
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