Lyonesse 2 - Die grüne Perle
eingetroffen, Herr.«
»Danke, Doutain.«
Die Botschaft – sie war mit einem anderen Symbol unterzeichnet – lautete:
Eure Hoheit: Aus Gründen, welche sich meiner Einsicht entziehen, bin ich nach Süd-Ulfland gesandt worden, zu einem Dienste, der weder meiner Neigung noch meinen Wünschen entspricht. Dies wird derhalben einstweilen meine letzte Botschaft bleiben.
»Bah!« blaffte König Casmir und warf die Botschaft in die Flammen. Dann ließ er sich schwer in seinen Sessel fallen und zupfte sich am Bart. Handelte es sich hier um rein zufällig übereinstimmende Geschehnisse. Unwahrscheinlich, wenngleich nicht unmöglich! Konnte es sein, daß Valdez die beiden verraten hatte? Aber er hatte Valdez die Kenntnis ihrer Namen versagt.
Dennoch war es interessant, daß Valdez sich just zu diesem Zeitpunkt zurückgezogen hatte. Wenn er dazu bewegt werden konnte, nach Lyonesse zurückzukehren, dann ließe sich die Wahrheit vielleicht ermitteln.
Casmir grunzte. Valdez war ein viel zu schlauer Fuchs, um einen solchen Besuch zu riskieren, auch wenn allein die Tatsache seines Besuchs seine Treue mit hinreichender Sicherheit beweisen würde.
II
Königin Sollace war schon lange zuvor zum christlichen Glauben konvertiert, und Vater Umphred sorgte dafür, daß ihr Eifer beständig neu angefacht wurde. Seit einiger Zeit nun hatte sie einen neuen Floh im Ohr: die Vorstellung, zur Heiligen erhoben zu werden. Zwanzigmal am Tag murmelte sie leise bei sich: »Die Heilige Sollace von Lyonesse!« Und: »Wie schön das klingt! Die Kathedrale der Heiligen Sollace!«
Vater Umphred, dessen Ehrgeiz die Bischofsmitra niemals ausgeschlossen hatte und der auch das Amt eines Erzbischofs über die gesamte Diözese Lyonesse keinesfalls verachtet hätte, ermutigte Sollace in ihrer Hoffnung auf Seligpreisung. »In der Tat, liebe Königin! Von den sieben heiligen Akten verschafft die Errichtung eines edlen Gebetshauses an einer Stelle, wo vorher kein solches stand, unserem Herrgott die allerhöchste und vollkommenste Glückseligkeit, und seine Freude weiht und segnet den, der es erbaute! Ach, welcher Ruhm, welcher Glanz läßt die Zukunft erstrahlen! Welcher Gesang wird erschallen bei den Engeln im Himmel, so sie die Kathedrale betrachten, die schon bald die Stadt Lyonesse zieren wird!«
»Ich will mich diesem Werke in jeder Phase meines Seins widmen«, erklärte Sollace. »Können wir diese Kathedrale wahrhaftig mit meinem Namen benennen?«
»Diese Entscheidung muß höheren Orts bestätigt werden, aber mein Einfluß hat Gewicht. Wenn die Glocken laut über das Land hallen und Vaterunser die Luft erfüllen und König Casmir selbst vor dem Altar kniet, um meinen Segen zu empfangen, wer würde Euch dann den Beinamen ›Sanctissima‹ verwehren wollen?«
»›Sollace Sanctissima!‹ Ja! Das ist gut! Noch heute werde ich unser Anliegen erneut dem König vorbringen!«
»Welch ein Sieg, wenn Casmir die Frohe Botschaft annimmt und zu Jesus kommt! Das ganze Königreich muß dann seinem Beispiel folgen!«
Sollace schürzte die Lippen. »Wir werden sehen, aber laßt uns nicht mehr denn einen Sieg auf einmal anstreben. Wenn ich wirklich heiliggesprochen werde, wird sich die Welt über diese Nachricht freuen, und seine Majestät wird beeindruckt sein!«
»Recht so! Genau! Ein Schritt muß auf den andern folgen!«
Am Abend, als Casmir mit dem Rücken zum Feuer stand, trat Sollace in sein Gemach. Vater Umphred kam hinter ihr her, schlüpfte aber bescheiden beiseite und wartete im Hintergrund.
Königin Sollace, von Hoffnung durchglüht, rauschte schwungvoll durch das Gemach und brachte nach dem Austausch von ein paar höflichen Floskeln mit dem König das Gespräch sogleich auf die edle Kathedrale. »Hohe Türme muß sie haben!« schwärmte sie feurig. »Und die Glocken sollen die Botschaft der Erlösung weit ins Land hinaus tragen!« In ihrem Eifer merkte sie nicht, wie Casmirs runde blaue Augen sich verengten und sein Mund sich zusammenpreßte. Mit glühenden Wangen beschrieb sie die Pracht, die ihr im Geiste vorschwebte: eine Kathedrale von solcher Größe und solchem Glanze, daß die ganze Christenheit vor Staunen erblassen würde.
»Und gewiß«, führte sie aus, »wird Lyonesse eine bedeutende Pilgerstätte werden!«
König Casmir, dem dieses Gerede gar nicht gefiel, raunzte schließlich: »Welch wirres Zeug redest du da, Weib? Hat dieser feiste Priester wieder einmal Unsinn von sich gegeben? Ich weiß immer sogleich, wann du ihn
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