Lyonesse 2 - Die grüne Perle
gesehen hast; du trägst dann immer einen Gesichtsausdruck wie er: den eines waidwunden Lammes!«
Entrüstet rief da Königin Sollace: »Mein Gemahl und König, wie kannst du den Ausdruck heiligen Entsetzens mit solch unschönen Worten beschreiben!«
»Egal! Er schleicht beständig um dich herum und versteht es immer wieder, dir Grillen in den Kopf zu setzen. Wo immer ich hinschaue, sehe ich ihn herumlungern. Ich sollte ihn in der Tat hinauswerfen!«
»Herr, so bedenke dies: Die Kathedrale der Heiligen Sollace würde meinen Namen tragen!«
»Weib, hab Erbarmen! Kannst du dir vorstellen, wieviel ein solches Gebäude kosten würde? Genug, um das Königreich in den Ruin zu treiben! Indessen sich dieser Priester eins ins Fäustchen lacht, wenn er daran denkt, wie er den König und die Königin von Lyonesse übers Ohr gehauen hat!«
»O nein, mein Herr! Vater Umphred ist sogar in Rom selbst bekannt und geachtet! Sein einziges Ziel ist die Verbreitung des Christentums!«
Casmir wandte sich um und schürte mit einem Tritt das Feuer. »Ich habe schon von diesen Kathedralen gehört: Schatzhäuser voller Gold und Juwelen, welche dem Volk abgepreßt wurden, so daß es seinem König keine Steuern mehr zahlen kann.«
Königin Sollace sprach darauf mit schmachtendem Blick: »Unser Land ist reich! Es könnte eine so feine Kathedrale tragen.«
Mit spöttischem Grinsen versetzte Casmir: »Sag dem Priester, er soll mir Gold aus Rom herschaffen. Einen Teil davon will ich gern für eine schöne Kirche verwenden.«
Würdevoll sagte Sollace: »Gute Nacht, mein Herr und König. Ich ziehe mich in meine Gemächer zurück.«
König Casmir verneigte sich und wandte sich wieder dem Feuer zu, so daß er nicht bemerkte, wie Vater Umphred sich aus dem Raum stahl.
III
König Casmirs dringendstes Anliegen war es, den Schaden zu reparieren, den sein Spitzelnetzwerk erlitten hatte. Eines Nachmittags begab er sich in einen Raum im alten Flügel von Haidion, in den gedrungenen Eulenturm oberhalb der Rüstkammer. Dieser kärglich eingerichtete Raum hatte schon manches harte Urteil und manch kurzen Prozeß gesehen.
König Casmir setzte sich an den nackten Holztisch, goß Wein aus einer weißen Tischflasche aus Buchenholz in einen weißen Buchenholzpokal und wartete in stoischer Ruhe.
Minuten verstrichen. König Casmir zeigte keine Ungeduld.
Aus dem Gang drang das Scharren von Füßen und Stimmengemurmel. Oldebor, ein Beamter ohne festen Titel 7 , steckte den Kopf durch die Tür. »Eure Majestät, wollt Ihr den Gefangenen sehen?«
»Bring ihn herein!«
Oldebor trat herein und winkte über die Schulter zurück. Zwei Kerkerwärter mit schwarzen Lederschürzen und kegelförmigen Lederhüten zogen an einer Kette, und der Gefangene stolperte in den Raum: ein großgewachsener Mann in seinen frühen Mannesjahren, bekleidet mit einem schmutzigen Hemd und zerlumpten Beinkleidern. Trotz seines verwahrlosten Zustandes machte der Gefangene eine bemerkenswert gute Figur; seine Körperhaltung schien in Anbetracht der Umstände unangemessen locker, ja fast ein wenig hochmütig. Er war breitschultrig, schmalhüftig, hatte lange kräftige Beine und die Hände eines Aristokraten. Das Haar, schmutzig und verfilzt, sah aus wie ein dickes schwarzes Strohdach; die Augen waren von einem klaren, leuchtenden Nußbraun. Die Stirn war niedrig. Breite Wangenknochen verjüngten sich zu einer schmalen Kinnlade; die stark vorspringende Nase wölbte sich hakenförmig über einem knochigen Kinn. Die dunkle olivfarbene Haut wies einen seltsamen pflaumenfarbenen Unterton auf, gleich als flösse dicht darunter dickes dunkles Blut.
Einer der Kerkerwärter zerrte, verärgert über das Benehmen des Gefangenen, erneut mit einem Ruck an der Kette. »Zeig gebührenden Respekt! Du stehst vor dem König!«
Der Gefangene nickte König Casmir zu. »Guten Tag, Herr.«
König Casmir erwiderte mit ruhiger Stimme: »Guten Tag, Torqual. Wie findest du deine Haft?«
»Nur erträglich, Herr, und nichts für Wählerische.«
Eine weitere Person trat leise in den Raum: ein Mann, der über die erste Blüte der Jugend hinaus war, von untersetzter Statur, flink und munter wie ein Rotkehlchen, mit freundlichen Gesichtszügen, ordentlichem braunen Haar und klugen braunen Augen. Er verbeugte sich. »Guten Tag, Herr.«
»Guten Tag, Shalles. Kennst du Torqual?«
Shalles inspizierte den Gefangenen. »Bis zu diesem Moment habe ich mit dem Herrn noch keinen Kontakt gehabt.«
»Das ist zu
Weitere Kostenlose Bücher