Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
bereichern könnte. Es endete damit, daß Melancthe verächtlich die Tür vor ihm verriegelte.
    Heute nun schlendert Shimrod zum Lally-Wasser, um den Monduntergang zu schauen. Da erscheint Melancthe, und was geschieht? Nicht Shimrod bedrängt Melancthe, nein, diesmal ist sie es, die Shimrod nachstellt, in der Absicht, ihn in seinem Hause Trilda zu bestricken und zu betören, damit er davon ablasse, ihren Freund Tamurello zu behelligen.
    In möglicherweise hinterlistiger Offenheit gibt sie Tamurellos wenig schmeichelhafte Meinung über Shimrod wieder, so daß nun Shimrod seine Selbstachtung in den Wind werfen muß, gehorcht er seinen Impulsen und erliegt Melancthes Verlockungen. Erweist er sich aber als standhaft und schickt Melancthe mit dem Verweis, den sie verdient, von Trilda fort, so gerät er in den Ruch, großspurig, unbeugsam und töricht zu sein.
    Sein Problem ist es also nicht, ob oder wie er seinen Stolz, seine Würde und seine Selbstachtung behalten kann, sondern in welche Richtung er sie wegwerfen soll.«
    Melancthe fragte: »Wie lange beabsichtigt Ihr abzuwägen? Ich habe keinerlei Selbstachtung und kann mich daher sofort entscheiden, je nach meinen Neigungen.«
    »Vielleicht ist das am Ende die beste Weisheit«, sagte Shimrod. »Mein Charakter ist unerhört stark, und mein Wille ist wie Eisen; gleichwohl, ich sehe keinen Grund, ihre Festigkeit nutzlos unter Beweis zu stellen.«
    »Das Feuer brennt hoch, und der Raum ist warm«, sagte Melancthe. »Helft mir aus meinem Umhang, Shimrod!«
    Shimrod trat hinter sie, enthakte den Verschluß an ihrem Nacken und nahm ihren Umhang. Dabei glitt auch ihr Gewand zu Boden, so daß sie nackt im Schein des Feuers stand. Shimrod dachte: Noch nie habe ich etwas so Schönes gesehen. Er umarmte sie und ihr Körper versteifte sich zunächst, doch dann wurde er weich und nachgiebig.
    Das Feuer war heruntergebrannt. Mit heiserer Stimme sagte Melancthe: »Shimrod, ich fürchte mich.«
    »Wovor?«
    »Als ich in den Spiegel schaute, da sah ich nichts.«
     

VI
    Die Tage flossen ruhig und gemächlich dahin, ohne daß irgendein widriges Ereignis ihren Gang gestört hätte. Shimrod fand gelegentlich, daß Melancthe versuchte, ihn zu necken und zu provozieren, aber er legte stets ein Auftreten unerschütterlichen Gleichmuts an den Tag, und im großen und ganzen verlief alles positiv. Melancthe schien zumindest auf eine duldende Weise zufrieden und war Shimrods erotischen Neigungen jederzeit zugänglich, bisweilen sogar mehr als zugänglich. Mit grimmiger Belustigung dachte Shimrod an Begebenheiten in der Vergangenheit zurück: ihr zerstreutes Benehmen, als sie durch seine Träume gewandelt war; ihr gelangweiltes Desinteresse, das sie bei seinen Besuchen in der Villa zur Schau gestellt hatte; und schließlich der Höhepunkt, als sie die Tür vor ihm versperrt hatte. Dagegen ihr Verhalten jetzt! Seine abwegigsten erotischsten Phantasien waren wahr geworden!
    Warum? Die Frage verwirrte ihn immer wieder. Irgendwo lag da ein Geheimnis verborgen. Shimrod vermochte nicht einzusehen, inwiefern Tamurello aus seiner Beziehung zu Melancthe Nutzen ziehen sollte; dem blauen Licht nach verließ er Faroli nie.
    Melancthe selbst äußerste sich nicht, und sein Stolz hielt Shimrod davon ab, seine Pose weltmännischer Gelassenheit aufzugeben und gezielte Fragen zu stellen.
    Hier und da konnte Shimrod es sich freilich nicht verkneifen, seine Neugier in Gestalt von geschickt in die Unterhaltung eingewobenen Fragen stattzugeben, aber Melancthe reagierte darauf gewöhnlich nur mit einem leeren Blick oder mit nichtssagenden Ausflüchten oder schlimmstenfalls mit ihrem alten Vorwurf des übertriebenen Intellektualismus. »Wenn etwas getan werden muß, dann tue ich es! Wenn die Nase juckt, dann kratze ich sie – und zwar ohne vorher erst einmal eine tiefschürfende Analyse der Situation anzustellen!«
    »Kratzt Euch, wo und so lange Ihr wollt«, erwiderte Shimrod in einem Ton nüchterner Höflichkeit.
    Mit der Zeit indes nutzte sich die Spannung ab, die Melancthes Gegenwart erzeugte – nicht aber ihre Liebeslust, die wuchs, vielleicht durch Langeweile angestachelt, bis sie schließlich Shimrods Leistungsfähigkeit überstieg, was dazu führte, daß sich bei ihm Schuldgefühle und eine gewisse Verzagtheit einstellten. Gegenmittel waren vorhanden – hätte er sich dazu entschließen können, sie zu benützen: zum Beispiel ein Elixier, welches bekannt war als ›der Bär‹, in scherzhafter Anspielung auf

Weitere Kostenlose Bücher