Lyonesse 2 - Die grüne Perle
wie Murgen es gefordert hatte. Diese Manöver würden Tamurello, wenn er – was unvermeidlich eintreten würde – von ihnen Kenntnis bekam, zunächst einmal genügend beschäftigen, um ihn von anderen dreisten Possen abzuhalten: So argumentierte Murgen, und Shimrod hatte keinen Grund, an dieser Theorie etwas auszusetzen, außer daß sie ihn in die Lage einer Ziege versetzte, die im Dschungel angepflockt war zu dem Zweck, einen Tiger anzulocken.
Murgen hatte Shimrods Bedenken mit einer Handbewegung abgetan. »Tamurellos Frechheit muß gezügelt werden, und just dies wird unser Programm bewirken.«
Daraufhin hatte Shimrod einen weiteren Einwand vorgebracht: »Wenn er den Schwurbel 10 spürt, wird er lediglich eine neue Taktik einschlagen oder einen klugen Ausweg finden.«
»Aber er wird dadurch auch von wirklich großartigen Unternehmungen abgehalten, und das sind die Bestrebungen, die ich am meisten fürchte.«
»Und unterdessen wird er sein Vergnügen daran haben, eine Unzahl kleinerer Schäden anzurichten, in einer solchen Weise, daß sie ihm nicht zur Last gelegt werden können.«
»Wir werden seine Verbrechen würdigen und ihn entsprechend bestrafen, und bald wird Tamurello der Sanftmütigste unter den Sanftmütigen sein!«
»Tamurello ist keiner, der die andere Wange hinhält«, brummte Shimrod. »Wahrscheinlicher ist, daß er mir einen Sandestin 11 auf den Hals hetzt, mit einer Hirschkäferplage für mein Bett.«
»Möglich ist alles«, stimmte Murgen ihm zu. »Wäre ich du, ich ließe doppelte Wachsamkeit walten. Gefahren, die man sich ausmalen kann, kann man bekämpfen!«
Murgens Diktum beherzigend, umgab Shimrod Trilda mit einem Netzwerk empfindlicher Ranken, um wenigstens ein Mindestmaß an Sicherheit zu erlangen. Dann, wieder in seinem Arbeitszimmer, räumte er einen seiner Arbeitstische frei und breitete darauf einen Bogen lederfarbenen Pergaments aus, den Murgen ihm gegeben hatte.
Die Substanz des Pergaments verband sich mit dem Eichenholz, so daß die Tischplatte sich in eine große Landkarte der Älteren Inseln verwandelte, wobei jedes Herrschaftsgebiet durch eine eigene Farbe gekennzeichnet war. An der Stelle, wo Tamurellos Haus Faroli lag, glomm ein Punkt aus blauem Licht; er zeigte an, daß Tamurello sich in seinem Haus aufhielt. Sobald er sich von Faroli entfernte, würde dieser blaue Lichtpunkt mitwandern und so stets Aufschluß über seinen Aufenthaltsort geben. Shimrod hatte weitere solcher Lichter von Murgen erheischt, um auch die Bewegungen anderer Leute verfolgen und überwachen zu können; davon hatte Murgen freilich nichts hören wollen. »Du mußt deine Aufmerksamkeit einzig auf Tamurello konzentrieren.«
Shimrod hatte jedoch nicht locker gelassen. »Wir sollten dieses Instrument in vollem Umfang ausnutzen. Nimm einmal an, ein rotes Licht markiert deinen Aufenthaltsort. Nimm ferner an, eine deiner Geliebten lockt dich in einen Kerker; dann könnte ich dich leicht finden und aus deiner Zelle befreien, ehe du weitere Unannehmlichkeiten erdulden müßtest.«
»Die Möglichkeit ist gering.«
So kam es, daß Shimrod sich mit nur einem Licht bescheiden mußte, dem blauen, und dieses bezeugte, daß Tamurello in Faroli weilte.
Tage vergingen. Shimrod verfeinerte seine Überwachungsvorkehrungen vermittels unauffälliger Methoden, die Tamurello, so er wollte, nicht zu beachten brauchte, ohne dabei das Gesicht zu verlieren.
Aber Tamurello weigerte sich, die Inspektion gelassen zu tolerieren, und setzte mehrere kunstreiche Mißhelligkeiten gegen Shimrod ins Werk, welche indessen allesamt durch Shimrods ausgefeiltes Schutzsystem untauglich gemacht wurden. Unterdessen bemühte sich Tamurello, Shimrods Spähfahnen zu blenden und seine Horchhülsen durch konzentrierte Schallwellen zu zerschmettern.
Shimrod, der sich zunehmend an seiner Aufgabe erwärmte, führte eine ganze neue Klasse von sensitiven Vorrichtungen ins Feld, die Tamurello herben Verdruß bereiteten. Murgens Strategie, Tamurellos Energien durch triviale nadelstichartige Ärgernisse zu binden, schien im großen und ganzen erfolgreich zu sein.
Der Mondmonat näherte sich der Nacht des abnehmenden Halbmondes, und Shimrods Gedanken schweiften unwiderstehlich zu der weißen Villa am Rande des Ozeans. Für einen winzigen Moment spielte er mit dem Gedanken, dem Felsenriff, das sich in den Ozean schob, um Mitternacht einen abermaligen Besuch abzustatten; doch so schnell, wie die Idee kam, so schnell verwarf er sie auch wieder, und
Weitere Kostenlose Bücher