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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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wollt, und ich wundere mich nicht mehr sosehr; ich denke sogar, ich weiß es jetzt.«
    »Tut Ihr je irgend etwas anderes als denken? Ihr bewahrt die ganze Welt hinter Eurer Stirn auf: ein wunderliches, totes, allein von Euch selbst geformtes Truggebilde! Aber was wißt Ihr wirklich?«
    »Laßt uns der Bequemlichkeit halber unsere Bemerkungen auf Eure Anwesenheit in Trilda beschränken. Tamurello schickte Euch hierher, um mich von Sinnen zu bringen. Das ist so klar, daß es keiner weiteren Erörterung bedarf. Oder irre ich mich?«
    »Ihr würdet ja doch nie etwas anderes glauben, ganz gleich, was ich Euch sagen würde.«
    »Ihr seid klug. Natürlich irre ich mich. Ihr weicht meiner Frage aus, um mich zum Narren zu halten. Warum sollte mich das überraschen? Ihr habt mich schon früher zum Narren gehalten; jetzt kenne ich Euch gut.«
    »Ihr kennt mich nicht im geringsten! Ihr habt nicht einmal den Hauch einer dumpfen Ahnung! Ihr sinnt, Ihr grübelt; sogar wenn wir umschlungen beisammen liegen, höre ich, wie es in Eurem Hirn arbeitet!«
    Verblüfft von Melancthes Heftigkeit, konnte Shimrod nur sagen: »Nichtdestoweniger verstehe ich Euch endlich!«
    »Ihr seid ein Wunder an reinem Verstand.«
    »Eure Vorstellungen sind absolut falsch! Es wäre angebracht, daß Ihr Euren Irrtum einseht. Ich habe nicht den Mut, Euch alles zu sagen, schon gar nicht jetzt, da Ihr zornig seid. Ihr habt den erotischen Krieg gewonnen; das Weibliche Prinzip hat das Männliche Prinzip besiegt! Behaltet den Sieg; er ist hohl und nichtig. Ich werde nichts mehr sagen.«
    »Nein!« schrie Melancthe. »Ihr seid schon zu weit gegangen; Ihr müßt mehr sagen!«
    Shimrod hob die Schultern. »Ihr beschloßt, nicht mehr mit den Ausgestoßenen zu singen; Ihr entschiedet Euch dafür, Euch der Gesellschaft der Menschen anzuschließen, doch mußtet Ihr hier wohl oder übel der Funktion gehorchen, die Desmëi Euch aufgeprägt hat. Ich war zu Eurer Villa gekommen und hatte dort Eure Feindseligkeit erregt. Ich vermute, es war ein bittersüßes Gefühl: Ihr mochtet mich und mochtet mich zugleich nicht. Auf jeden Fall wurde ich Euer erster Widersacher. Habt Ihr mich besiegt? Betrachtet es, wie Ihr wollt. Und nun werde ich dazu nichts mehr sagen, bis auf dies eine: Ihr könnt Tamurello gelten lassen, weil er nicht wirklich männlich ist; somit ist er kein Widersacher.« Shimrod erhob sich. »Und nun entschuldigt mich; ich habe zuletzt vieles vernachlässigt und muß mich um meine Pflichten kümmern.«
    Shimrod ging zu seinem Arbeitszimmer. Auf den Tischen war Ordnung geschaffen worden, und der Raum war wieder ein Ort, an dem sich angenehm arbeiten ließ, auch wenn Shimrod in den vergangenen zwei Monaten herzlich wenig Gebrauch davon gemacht hatte.
    Als erstes Unternehmen, das er sich für heute vorgenommen hatte, wollte er Kontakt mit dem Hexer Baibalides aufnehmen, der in einem Haus aus schwarzem Felsgestein auf der Insel Lamneth wohnte, hundert Schritt vor der Küste von Wysrod.
    Shimrod öffnete einen Schrank und zog ein Kistchen hervor, dem er eine Maske mit Baibalides' Zügen entnahm. Sodann holte er einen Schädel hervor, stellte diesen auf einen Sockel und zog die Maske darüber. Sofort schien die Maske zum Leben zu erwachen. Die Augen blinzelten; der Mund öffnete sich, und eine Zunge kam hervor und befeuchtete die Lippen. »Baibalides, kannst du mich hören?« rief Shimrod. »Hier spricht Shimrod.«
    Der Mund der Maske antwortete mit Baibalides' Stimme: »Shimrod, ich höre dich. Was ist der Grund, daß du mich anrufst?«
    »Ich habe hier einen Gegenstand, den ich von Tintzin Fyral mitgenommen habe. Es ist ein beinernes Rohr; auf einer Seite sind fremdartige Runen eingraviert, auf der andern steht dein Name. Ich frage mich, was der Zweck dieses Rohres sein mag und ob du es als dein Eigentum reklamierst oder ob es vielleicht ein Geschenk an Tamurello oder an Faude Carfilhiot gewesen sein könnte.«
    Baibalides antwortete: »Jenes Rohr ist mir wohlbekannt: es ist Gantwins Jahrtausend-Spektator; es zeigt Ereignisse aus den letzten tausend Jahren an jedem beliebigen Ort, auf den man es richtet. Ich verlor es bei einer Wette an Tamurello, der es offenbar Carfilhiot schenkte. Wenn du keine Verwendung dafür hast, nehme ich es mit Freude wieder in meinen Besitz. Es ist von unschätzbarem Wert, wenn man vergrabene Schätze ausfindig machen oder die Taten längst verstorbener Helden miterleben will. Ausgezeichnete Dienste leistet es auch bei der Bestimmung der

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