Lyonesse 3 - Madouc
Yallow-Fluß zu ergießen.
Trilda war einst im Auftrag und nach den Anweisungen des Magiers Hilario errichtet worden, dessen vorherige Residenz der Scheurturm gewesen war, der auf einem Eiland vor der Nordküste Dahauts stand: ein Ort, den Hilario, eine Person von feingebildetem Geschmack, als zu rauh, zu kalt und zu beengt empfunden hatte. Mit großer Sorgfalt entwarf er seine Pläne, wobei er jedes Detail, und schien es noch so klein und unbedeutend, mit äußerster Präzision spezifizierte, stets peinlich auf höchstmögliche Ausgewogenheit zwischen jedem einzelnen Teil und dem Ganzen bedacht. Zur Durchführung der Bauarbeiten verdingte er einen Trupp von Goblin-Zimmerleuten, die sich ihm als hochqualifizierte Handwerker empfahlen. Als Hilario sich anschickte, mit Shylick, dem Meister, die Pläne zu erörtern, nahm dieser ihm die Pläne aus der Hand, überflog sie kurz und schien alles mit einem Blick aufzusaugen, und Hilario war von seinem Scharfblick sehr beeindruckt.
Die Zimmerleute machten sich sofort ans Werk; mit bemerkenswertem Eifer gruben und schippten, hackten und sägten, hämmerten und klopften, hobelten, schleiften, spleißten und feilten sie, so daß zu Hilarios Verblüffung das Werk über Nacht vollendet war, vollständig und komplett bis hin zu einem eisernen Wetterhahn auf dem Kamin.
Als die ersten roten Sonnenstrahlen auf die Lally-Wiese fielen, wischte sich Shylick, der Zimmermannsmeister, den Schweiß von der Stirn. Sodann präsentierte er mit einer schwungvollen, affektierten Gebärde Hilario die Rechnung, verbunden mit der Bitte um sofortige Begleichung, da, so machte er geltend, der Trupp einen dringenden Auftrag andernorts erledigen müsse.
Hilario indes war ein Mann von behutsamem Temperament, und er ließ sich von Shylicks gespreiztem Gehabe nicht beirren. Er lobte Shylick für seine Flinkheit und Tüchtigkeit, bestand aber darauf, das Bauwerk zu inspizieren, bevor er die Rechnung begliche. Shylick protestierte, jedoch vergebens, und begleitete widerwillig und mit mürrischem Gesicht Hilario auf seinem Inspektionsrundgang.
Fast sogleich entdeckte Hilario mehrere Fehler und Zeugnisse für überhastige, ja schlampige Methoden. Der Vertrag gebot zwingend, daß das Mauerwerk aus ›soliden, unverwüstlichen Feldsteinblöcken‹ zu erstellen sei; die Blöcke, die Hilario besichtigte, erwiesen sich als Nachahmungen, die aus verhextem Kuhmist geformt waren. Als Hilario weiter fahndete, stellte er fest, daß die in seinen Spezifikationen aufgeführten ›kräftigen Balken aus gut ausgewittertem Eichenholz‹ in Wahrheit getrocknete Wolfsmilchstengel von geringer Kraft waren, ebenfalls vermittels eines listigen Zaubers geschickt getarnt.
Hilario wies Shylick entrüstet auf diese Mängel hin und forderte, daß die Arbeit ordentlich und gewissenhaft ausgeführt werde, nach den üblichen und landläufigen Gütenormen. Shylick, jetzt mißmutig und unpäßlich, tat sein Bestes, um die zusätzliche Plackerei herumzukommen. Er führte an, daß vollkommene Präzision unmöglich und etwas dem Kosmos Unbekanntes sei. Er machte geltend, daß eine vernünftige und realistische Person einen gewissen Grad an Spielraum bei der Interpretation eines Vertragswerks akzeptiere, da diese Ungenauigkeit in der Natur des kommunikativen Prozeß liege.
Hilario aber blieb starr, und Shylick wurde immer erregter – so sehr, daß er mit seinem hohen grünen Hut auf den Boden hieb und sich schließlich in die abstrusesten Argumente verstieg. So tat er dar, daß, da der Unterschied zwischen ›Schein‹ und ›Wesen‹ in jedem Falle nicht mehr denn eine philosophische Spitzfindigkeit sei, mithin nahezu alles allem anderen äquivalent sei. Darauf erwiderte Hilario gewichtig: »In dem Fall werde ich meine Rechnung mit diesem Strohhalm bezahlen.«
»Nein«, widersprach Shylick. »Das ist nicht ganz dasselbe.« Er bestand darauf, daß Hilario – und sei es nur um der Einfachheit willen – die Rechnung flugs begleiche und sich zufrieden in seiner neue Bleibe niederlasse.
Hilario blieb stur. Er bezeichnete Shylicks Argumente von vorn bis hinten als pure Sophisterei. »Zugegeben, das Haus sieht äußerlich fein aus«, sagte Hilario. »Aber Zauberbannsprüche dieser Art sind flüchtig und neigen dazu, sich abzunutzen!«
»Nicht immer!«
»Aber oft genug! Wer garantiert mir, daß nicht beim ersten ordentlichen Regenguß der gesamte Kasten über mir zusammenbricht, womöglich noch mitten in der Nacht, während ich schlafe!
Weitere Kostenlose Bücher