Lyonesse 3 - Madouc
Ihr müßt die Arbeit noch einmal machen, vom Anfang bis zum Ende, mit gebräuchlichen Baustoffen und unter Anwendung bewährter handwerklicher Methoden!«
Die Zimmerleute murrten, aber Hilario setzte seinen Kopf durch, und die Arbeit wurde von vorn begonnen. Drei Tage und drei Nächte lang schufteten die Gobline, und diesmal machten sie die Arbeit – aus Mutwillen oder schierem Eigensinn heraus – gleich doppelt so gut, als erforderlich war: für die Wandtäfelungen verwendeten sie Rosenholz, Madura und erlesenes Walnuß-Wurzelholz; anstelle von Marmor nahmen sie Rhodokrosit, rosaroten Porphyr und Malachit. Und die ganze Zeit über warfen sie Hilario trotzige Seitenblicke zu, als wollten sie ihm bedeuten, er solle sich nur ja unterstehen, an ihrer Arbeit herumzumäkeln.
Schließlich war das Werk vollendet, und Hilario beglich die Rechnung mit zweihundertzwölf Herzmuschelschalen und einem Festmahl aus Pökelfisch, frischgebackenem Brot, jungem Käse, Nüssen und Honig, einem Faß starken Birnenmostes und einem Faß Maulbeerweines; und die Transaktion endete in einer Atmosphäre der Geselligkeit und gegenseitigen Wertschätzung.
Hilario bezog Trilda und lebte dortselbst viele Jahre, bis er schließlich aus ungeklärten Gründen auf der Lally-Wiese verschied – möglicherweise von einem Blitz getroffen. Gerüchten zufolge hatte er sich jedoch den Unwillen des Zauberers Tamurello zugezogen. Wie auch immer, bewiesen werden konnte jedenfalls nichts.
Das Haus stand mehrere Jahre leer, bis eines Tages Shimrod auf seinen Wanderungen auf das einsame Bauwerk stieß und beschloß, es zu seinem Wohnsitz zu machen. Er baute einen Flügel an, den er als Arbeitszimmer nutzte, pflanzte Blumen vor dem Haus und Obstbäume dahinter, und Trilda war bald wieder so entzückend wie vordem.
Um Trilda instandzuhalten, es zu säubern und zu putzen, das Glas zu polieren, das Holz zu wachsen, die Gärten zu hegen und die Feuer zu hüten, verdingte Shimrod eine Familie von Merrihews (bisweilen auch Baumtrolle geheißen), die sich jüngst in der Nachbarschaft niedergelassen hatte. Diese waren kleine scheue Geschöpfe, die nur dann arbeiteten, wenn Shimrod ihnen den Rücken zukehrte, so daß er sie allenfalls aus dem Augenwinkel wahrnahm, und dann auch nur als verschwommene Schatten, die hastig zurückschraken, wenn sie feststellten, daß sie bemerkt wurden.
Die Jahre flossen nach dem festgelegten Zyklus dahin. Shimrod lebte auf Trilda größtenteils in Abgeschiedenheit, Zerstreuung allein in seiner Arbeit findend. Nur sehr selten kamen Menschen zur Lally-Wiese; gelegentlich verirrte sich vielleicht einmal ein Holzfäller oder ein Pilzsammler dorthin, und Shimrod hatte so gut wie nie Gäste. Am anderen Ende der Wiese war die Elfenburg Tuddifot Shee: für den flüchtigen Betrachter nicht mehr als eine Erhebung von schwarzem Basalt, dessen Nordseite von Flechten überzogen war. Von Zeit zu Zeit beobachtete Shimrod die Elfen bei ihren Lustbarkeiten, aber stets aus gebührender Distanz. Er hatte bereits gelernt, daß der Umgang mit Elfen zu aufwühlenden Gefühlswallungen von bittersüßer Enttäuschung führen konnte.
Shimrod hatte kürzlich auf Murgens Geheiß hin eine gewaltige Aufgabe übernommen: die Analyse und Klassifizierung von Material, das bei dem Hexer Tamurello beschlagnahmt und als völlig ungeordneter Haufen nach Trilda geliefert worden war. Tamurello war ein Magier von großer Wirkungsbreite und geballter Erfahrung gewesen; er hatte eine Unzahl von Gegenständen und magischen Paraphernalien gesammelt: einige davon ganz belanglos, andere von magischer Kraft geradezu bebend.
Shimrod erste Aufgabe im Zusammenhang mit dieser wunderbaren Sammlung war die Durchführung einer oberflächlichen Sichtung und Begutachtung von Dokumenten, Traktaten, Formelsammlungen und Akten. Diese präsentierten sich in vielerlei Form, Größe und Beschaffenheit. Da gab es Bücher alt und neu, Schriftrollen aus lange vergangenen Zeiten, kolorierte Pergamente; Mappen mit Zeichnungen, Plänen, Landkarten, Tabellen und Diagrammen; mit Blocklettern bedruckte Stoffstücke; Papierbögen, beschrieben mit Tinten in sonderbaren Farben und in geheimnisvollen Zungen, die Shimrod vollkommen unbekannt waren.
Shimrod sortierte diese Artikel zu Stapeln, die er zum Zwecke späteren Studiums deponierte, und begab sich an die Examinierung der Maschinen, Werkzeuge, Utensilien und diversen anderen Artefakte. Viele ließen keinen augenfälligen Gebrauchswert erkennen,
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