Lyonesse 3 - Madouc
war ihm die Lally-Wiese ruhevoller erschienen als in diesem Moment. Shimrod richtete seinen Sinn auf die Dagach-Schlucht, wo Ruhe und Frieden sicherlich etwas Unbekanntes sein würden. Aber es ließ sich nicht ändern. Was getan werden mußte, mußte getan werden.
Nun mußte er sich eine Erscheinungsform wählen, die dem Ort und den Umständen angemessen war. Da ihm seine gewohnte Magie versagt war, mußte er auf physische Fertigkeiten und auf Waffen bauen. Einige dieser Fertigkeiten waren ihm angeboren; andere mußte er jetzt in sich aufsaugen.
Er sann über die Erfordernisse seiner neuen Erscheinungsform nach. Sie mußte stark, dauerhaft, behende und tüchtig sein, ohne dabei in der Umgebung der Hochmoore aufzufallen.
Shimrod kehrte in sein Arbeitszimmer zurück, wo er eine Wesenheit ersann, die die Erfordernisse mehr als erfüllte: einen Mann, der groß und von hagerer Gestalt war, mit einem Leib, der aus Leder, Sehnen und Knochen zu bestehen schien. Der Kopf war schmal, das Gesicht scharf geschnitten, die Augen gelb und funkelnd, der Mund ein harter, böser Schlitz, die Nase dünn wie die Schneide einer Axt. Ringellocken stumpfen sandbraunen Haars umrahmten den Schädel; die wetter- und sonnengegerbte Haut war von der gleichen Farbe. An den Läppchen der kleinen Ohren hingen die Effriten Voner und Skel. Sofort hörte er ihre Stimmen; sie diskutierten anscheinend über das Wetter an Orten, die sich Shimrods Kenntnis entzogen: »... beinahe ein Rekordzyklus für Zwischenräumler, zumindest entlang des oberen Miasmas«, sagte Skel. »Doch gleich hinter dem Trittfeld der Lebenden Toten haben die Module ihre Phasen noch nicht verschoben.«
»Ich weiß wenig von Carpiskovy«, sagte Voner. »Es soll sehr schön sein, und ich bin überrascht, von solch unerfreulichen Umständen zu hören.«
»In Margaunt ist's noch ärger, und es wird Stunde um Stunde schlimmer! Ich fand ein zartes Knallgrün an der Flitterstraße.«
»›Zart‹ sagt Ihr!«
»Ganz recht! Die Grauföhren tun regelmäßig Dienst, und es kommt niemals ein Zwacken von den Rubanten.«
Shimrod machte sich mit einem Räuspern bemerkbar. »Meine Herren, ich bin euer Aufseher. Mein Name ist Shimrod; ab sofort werde ich mich jedoch als ›Travec, der Daker‹ ausgeben. Seid auf der Hut vor Plänen, die gegen Shimrod oder Travec geschmiedet werden. Ich freue mich, daß ihr mit mir zusammenarbeiten werdet, da unsere Mission von großer Wichtigkeit ist. Für den Moment muß ich euch jedoch ersuchen, still zu sein, da ich viele Informationen in mich aufnehmen muß.«
Skel sagte spöttisch: »Da habt Ihr aber gleich einen schwachen Anfang gemacht, Shimrod oder Travec oder wie immer Ihr Euch nennt. Unsere Unterhaltung bewegt sich auf hohem Niveau. Ihr tätet gut daran, uns zu lauschen.«
Shimrod sagte streng: »Meine Aufnahmefähigkeit ist begrenzt. Ich bestehe auf Gehorsam. Laßt uns dies sofort klarstellen. Sonst muß ich Murgen zu Rate ziehen.«
»Bah!« sagte Voner. »Wir sind wahrlich vom Glück nicht verwöhnt! In Shimrod finden wir schon wieder einen von diesen gestrengen Zuchtmeistern!«
»Ruhe bitte!«
»Nun gut, wenn es denn sein muß«, sagte Voner. »Skel, wir werden unser Gespräch später fortführen, wenn Shimrod weniger reizbar ist.«
»Auf alle Fälle! Die Zeit kann gar nicht schnell genug vergehen, wie man in diesem exzentrischen Universum sagt.«
Die Effriten verstummten, und bis auf ein gelegentliches Ächzen oder Murmeln war nichts mehr von ihnen zu hören. Shimrod ersann derweil eine Biographie für Travec und stattete sein Gedächtnis mit passenden Informationen aus. Als nächstes sicherte er vermittels bestimmter Maßnahmen Trilda gegen unbefugten Zutritt während seiner Abwesenheit. Eine schöne Ironie des Schicksals, wenn Desmëi, während er in den Mooren nach ihrem Versteck fahndete, nach Trilda käme und seine kostbaren magischen Schriftstücke und Gerätschaften stähle!
Als Shimrod schließlich mit seinen Vorbereitungen fertig war, trat er wieder vor den Spiegel und machte sich Murgen bemerkbar. »Ich bin bereit, zu meiner Mission aufzubrechen.«
Murgen inspizierte die ungewohnte Erscheinung, die ihm aus dem Spiegel entgegenschaute. »Die Erscheinung ist angemessen, wenn auch vielleicht ein wenig stärker in der Wirkung als notwendig. Aber wer weiß? Es könnte sich vielleicht als nützlich erweisen. Nun denn: reite den Ulfenpaß hinan; sechs Meilen hinter der Feste Kaul Bocach findest du den Gasthof ›Zum Tanzenden
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