Lyonesse 3 - Madouc
Proportionen stünde nichts im Wege; der Genesungsprozeß sei gleichwohl noch nicht so weit fortgeschritten, daß sie sich schon wieder für das Amt des Schiedsrichters bei den Wettspielen gerüstet fühlten. Als Ersatz mußte diesmal Sir Mungo einspringen, unterstützt von einigen Hofbeamten.
Am späten Nachmittag waren alle Spiele und Wettbewerbe beendet, und es galt nur noch, die Sieger zu ehren und mit ihren Preisen zu behängen. Die beiden königlichen Familien versammelten sich auf der einen Seite der Tribüne; auf der anderen scharten sich die, die in den verschiedenen Bewerben gesiegt hatten. Jeder von ihnen trug jetzt einen Lorbeerkranz und grinste mit einer Mischung aus Verlegenheit und Siegerstolz der Menge zu, die sich im Geviert eingefunden hatte, sie zu feiern.
Schließlich war alles zur Siegerehrung bereit. Madouc fand sich neben Brezante sitzend, dessen Bemühungen um Konversation planlos und ohne Schwung waren.
Vier Unterherolde bliesen eine Fanfare, und Sir Mungo trat vor die Tribüne. »Dies ist ein glücklicher Tag! Unsere königlichen Gäste aus Blaloc müssen bedauerlicherweise morgen abreisen, aber wir hoffen, daß sie sich auf das beste ergötzt haben an den hervorragenden Demonstrationen von Schnelligkeit, Ausdauer und Geschicklichkeit, welche unsere Mannen von Lyonesse während der letzten drei Tage dargeboten haben! Ich werde nun die Namen der Sieger verkünden, und jedem von ihnen wird König Milo den so wohlverdienten und so stolz errungenen Preis verleihen! Und so laßt uns denn nun ohne weitere Umschweife ...« Sir Mungo hob die Hand in einer dramatischen Gebärde. Er schaute einmal im Kreis herum, blickte den Sfer Arct hinauf, und die Stimme erstarb ihm in der Kehle. Langsam sank seine Hand herunter und verharrte zitternd in einer zeigenden Geste.
Den Sfer Arct herunter kam ein gar seltsames Beförderungsmittel: ein schwarzer Katafalk, der auf den Schultern von vier wandelnden Leichen ruhte, welche einstmals auf die Namen Izmael der Hunne, Este der Süße, Galgus von Dahaut und Kegan der Kelte gehört hatten. Obenauf stand eine fünfte Leiche: der bleiche junge Späher Idis, der jetzt eine Peitsche schwang und die vier wandelnden Kadaver mittels kräftiger Hiebe zu zügiger Gangart antrieb.
Näher und näher kamen die Leichname mit ihrer bemerkenswerten Traglast. Mit wildem Peitschenknall dirigierte der fahle Idis sie auf des Königs Appellplatz, während die entsetzten Massen voller Grauen zurückwichen.
Vor der Tribüne angekommen, wankten die Träger und brachen zusammen. Der Katafalk fiel auf das Pflaster und sprang auf; heraus kullerte ein weiterer Leichnam: Cory von Falonges.
8
Die königliche Familie von Blaloc verzehrte in Gesellschaft von König Casmir und Königin Sollace ein letztes Frühstück auf Haidion. Die Stimmung war getrübt. Die beiden Königinnen übten sich in höflicher Konversation, aber die beiden Monarchen hatten sich nur wenig zu sagen, und Prinz Brezante saß da in düsterem Schweigen. Prinzessin Madouc war nicht zum Frühstück erschienen, aber niemand machte sich die Umstände, ihr Fehlen zu hinterfragen.
Nach dem Frühstück tauschten König Milo, Königin Caudabil und Prinz Brezante letzte Artigkeiten mit König Casmir und Königin Sollace aus und empfahlen sich. König Casmir und Königin Sollace traten hinaus auf die Terrasse und verfolgten den Abmarsch der Kolonne.
Lady Vosse kam aus der Burg und näherte sich König Casmir. »Eure Hoheit, ich bemerkte die Abwesenheit von Prinzessin Madouc bei der Abschiednahme und ging zu ihren Gemächern, den Grund für dieses ihr Versäumnis zu erforschen. Dort fand ich dieses Sendschreiben, welches, wie Ihr seht, an Euch adressiert ist.«
König Casmir runzelte die Stirn in mechanischem Mißfallen, erbrach das Siegel und entfaltete das Pergament. Er las:
›An Seine Königliche Hoheit mit meinen besten Grü
ßen! Eurem Geheiß entsprechend habe ich mich aufgemacht, den Namen und den Stand meines Vaters zu erkunden, und auch die näheren Einzelheiten meines
Stammbaums. Eure Instruktionen waren eindeutig und präzis;
ich habe mir die Dienste eines Begleiters zur Verfügung genommen. Sobald als der Zweck meiner Reise erfüllt ist, werde ich zurückkommen. Ich habe Königin Sollace von meiner Absicht unterrichtet, den Anweisungen Eurer Majestät in dieser Sache Folge zu leisten. Ich breche unverzüglich auf.
Madouc‹
König Casmir schaute Königin Sollace fassungslos an.
»Madouc ist
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